Grundsatzerklärung & Aufruf an internationale Gewerkschaften zur Unterstützung von BDS
Im Gedenken an den Internationalen Tag der Arbeit veranstaltet die palästinensische Gewerkschaftsbewegung ihre erste BDS-Konferenz und verkündet die Bildung der
Koalition palästinensischer Gewerkschaften für BDS (PTUC–BDS)
Grundsatzerklärung & Aufruf an internationale Gewerkschaften zur Unterstützung von BDS
Palästina unter Besatzung, 4. Mai 2011 – Im Gedenken an den ersten Mai, dem Tag der Arbeiterkämpfe und der internationalen Solidarität, fand am 30. April 2011 in Ramallah die erste palästinensische Gewerkschaftskonferenz für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) statt, die von fast der gesamten palästinensischen Gewerkschaftsbewegung organisiert worden war, darunter Föderationen, Berufsverbände und Gewerkschaftsblöcke, die das gesamte Spektrum der palästinensischen politischen Parteien repräsentieren. Die Konferenz stellte ein historisches Ereignis dar: die Bildung der Palästinensischen Gewerkschaftskoalition für BDS (PTUC–BDS), die größte Koalition der palästinensischen Gewerkschaftsbewegung. PTUC–BDS stellt für internationale Gewerkschaften zukünftig den wichtigsten palästinensischen Bezugspunkt dar und wird ihre Unterstützung und Befürwortung des BDS-Aufrufs der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahre 2005 fördern. Dabei wird PTUC–BDS durch die Richtlinien und Prinzipien des Nationalen Komitees für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BNC) geleitet, zu dessen wesentlichen Teilen sie geworden ist.
Die weltweite Gewerkschaftsbewegung hat mit ihrem mutigen Einsatz für Menschenrechte und ihrer Verhängung von konkreten, bahnbrechenden, von Arbeitern geführten Sanktionen gegen unterdrückerische Regime immer schon eine inspirierende und wesentliche Rolle gespielt, wenn es darum ging, Solidarität mit unterdrückten Völkern auf der ganzen Welt zu zeigen. Der Gewerkschaftsboykott gegen das Apartheidsystem in Südafrika ragt als leuchtendes Beispiel für diese Tradition wirkungsvoller Solidarität heraus. Gewerkschaften stehen heute an vorderster Stelle bei der Verteidigung der Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit sowie des Rechts unserer Flüchtlinge, in ihre Heimat zurückzukehren, wie es in der Resolution 194 der UN-Generalversammlung festgelegt wurde. Viele Gewerkschaften sind dem Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft und insbesondere ihrer Arbeiterbewegung gefolgt, BDS als wirksamste Form der Solidarität mit den Palästinensern in unserem Kampf gegen die Besatzung und das Apartheidsystem Israels aufzunehmen.
Israels vielschichtiges System der Unterdrückung des palästinensischen Volkes zu beenden, das sich aus Besatzung, Kolonialismus und Apartheid zusammensetzt, ist zu einem Prüfstein für Menschlichkeit geworden. Über Jahrzehnte genoss Israel Straflosigkeit, während es stufenweise seine ethnische Säuberung der Palästinenserinnen und Palästinenser besonders im besetzten Ost-Jerusalem, dem Jordantal und der Naqab (Negev) Wüste vorantrieb sowie seine nun 44 Jahre andauernde Besatzung, seinen Diebstahl von Land und Naturressourcen, seine Kolonialisierung und den Bau illegaler kolonialer Siedlungen und Mauern, seine Belagerung von Gaza, seine unablässige Verweigerung der Rechte von Flüchtlingen, seine endlosen aggressiven Kriege und die Einkerkerung politischer Gefangener und seine mutwillige Tötung von Zivilisten und Zerstörung der Infrastruktur. Israels systematische Zerstörung der palästinensischen Ökonomie, der Enteignung des fruchtbarsten Agrarlandes sowie die Demütigung und rassistische Diskriminierung palästinensischer Arbeiterinnen und Arbeiter gehören allesamt zur Realität des Apartheidsystems, das unter keinen Umständen in der heutigen Welt toleriert werden darf.
Angesichts des völligen Versagens und des Widerwillens hegemonialer Mächte, Israel gemäß internationalem Recht zur Verantwortung zu ziehen, liegt es nun an Menschen mit Gewissen und an der internationalen Zivilgesellschaft, besonders der Gewerkschaftsbewegung, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um das internationale geheime Einverständnis mit jahrzehntelangen Verletzungen des internationalen Rechts und der Menschenrechte durch Israel, seine Institutionen und internationale Unternehmen zu beenden.
Die übergreifende Botschaft dieser historischen Versammlung war die Unterstützung der gesamten palästinensischen Gewerkschaftsbewegung für einen umfassenden Boykott Israels 1 als effektivste Form der Solidarität mit dem palästinensischen Volk.
Die Konferenz hatte die Ehre, João Felicio begrüßen zu dürfen, den Sekretär für internationale Beziehungen der brasilianischen Gewerkschaft CUT, die über 20 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter vertritt. Er brachte seine Solidarität mit dem palästinensischen Volk und ihren legitimen Rechten zum Ausdruck und wiederholte die Unterstützung von BDS durch CUT. Die Konferenz erhielt zahlreiche Solidaritätsbekundungen von einer ganzen Reihe von Gewerkschaftsverbänden, darunter der Internationalen Föderation der arabischen Gewerkschaften, COSATU (Südafrika), ICTU (Irland) und einer Vielzahl von einzelnen Gewerkschaften in Kanada, Schottland, Italien, Frankreich, Spanien, der Türkei, Australien, den USA und anderen Ländern. Auch alle großen palästinensischen politischen Parteien unterstützten die Konferenz und die Bildung von PTUC–BDS mit Begeisterung.
Die Konferenz verurteilte entschieden die Histadrut, den Dachverband der israelischen Gewerkschaften, und rief die internationalen Gewerkschaften dazu auf, wegen der historischen und gegenwärtigen Komplizenschaft der Histadrut mit Israels Verstößen gegen internationales Recht und die Rechte der Palästinenser alle Beziehungen mit ihr abzubrechen. Die Histadrut hat immer eine Schlüsselrolle für die Verewigung der Besatzung, Kolonialisierung und dem System der Rassendiskriminierung Israels gespielt, indem sie
1. Israels Verletzungen der Vierten Genfer Konvention und anderen Grundsätzen des internationalen Rechts öffentlich billigte
2. weiterhin kommerzielle Interessen in Unternehmen des illegalen israelischen Siedlungsbaus verfolgt 2
3. es jüdischen Siedlern im besetzten Westjordanland erlaubt, der Organisation beizutreten 3
4. Israels aggressiven Krieg gegen den belagerten Gazastreifen im Jahre 2008/9 unterstützte 4. Später rechtfertigte sie Israels Massaker an Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten an Bord der Freedom Flotilla am 31. Mai 2010 5
5. im Laufe der jahrzehntelangen Besatzung illegal mehr als 8,3 Milliarden Schekel (ungefähr 1,7 Milliarden Euro) der Löhne von palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeitern aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückbehielt 6 und für ‘soziale und andere gewerkschaftliche Leistungen’ abzog, welche die palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeiter aus den besetzten palästinensischen Gebieten jedoch niemals erhielten.
Unter dem Grundsatz der Gewerkschaften: ‘die Schädigung Einzelner ist eine Schädigung aller’ und angesichts der historischen Rolle, die die globale Gewerkschaftsbewegung für die wirksame internationale Solidarität mit unterdrückten Völkern auf der ganzen Welt spielt,
– grüßt PTUC–BDS herzlich alle Gewerkschaften auf der ganzen Welt für ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk, besonders diejenigen, die BDS gegen Israel unterstützen,
– ruft PTUC–BDS Gewerkschaften in aller Welt dazu auf, aktiv Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu zeigen, indem sie kreative und kontextbezogene BDS-Kampagnen als effektivstes Mittel, die Straflosigkeit Israels zu beenden, durchführt, wie zum Beispiel:
- israelische und internationale Unternehmen wie Elbit, Agrexco, Veolia, Alstom, Caterpillar, Northrop, Grumman etc. wie auch Institutionen zu boykottieren, die sich an Israels Besatzung und seinen Verletzungen internationalen Rechts mitschuldig machen
- Pensionsfondsinvestitionen zu überprüfen zum Zweck, sich von israelischen Anleihen und allen israelischen und internationalen Unternehmen und Institutionen zu trennen, die mitschuldig an Israels Besatzung, Kolonialisierung und Apartheidsystem sind
- Regierungen unter Druck zu setzen, damit sie Freihandelsabkommen außer Kraft setzen sowie Waffengeschäfte und militärische Beziehungen mit Israel beenden mit der Absicht, schließlich alle diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen
– ruft PTUC–BDS Hafenarbeiter auf der ganzen Welt dazu auf, die Ladung und Entladung israelischer Schiffe zu boykottieren, ähnlich dem heroischen Schritt, den Hafenarbeiter auf der ganzen Welt machten, als sie den südafrikanischen Seehandel aussetzten, um gegen das Apartheidregime in Südafrika zu protestieren,
– ruft PTUC–BDS die Gewerkschaften weltweit dazu auf, all ihre Beziehungen zur Histadrut zu überprüfen und abzubrechen.
Solche gewaltfreien Maßnahmen der Rechenschaftspflicht müssen solange fortgesetzt werden, bis Israel seine Verpflichtungen gegenüber internationalem Recht erfüllt, das unveräußerliche Recht der Palästinenserinnen und Palästinenser auf Selbstbestimmung anerkennt und dem internationalen Recht in vollem Umfang nachkommt, indem es:
- seine Besatzung und Kolonialisierung allen besetzten arabischen Landes seit 1967 einschließlich Ost-Jerusalems beendet sowie die illegale Mauer und Siedlungen abreißt,
- das Grundrecht der palästinensischen Bürgerinnen und Bürger auf vollkommene Gleichheit anerkennt sowie das System der Rassendiskriminierung gegen sie beendet und
- das Recht der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihren Grundstücken zurückzukehren gemäß der UN-Resolution 194, anerkennt, respektiert und schützt.
*Die Koalition palästinensischer Gewerkschaften für BDS (PTUC–BDS) ist das größte und repräsentativste Gremium der palästinensischen Gewerkschaftsbewegung und umfasst folgende Organisationen: General Union of Palestinian Workers, Federation of Independent Trade Unions (IFU), General Union of Palestinian Women, Union of Palestinian Professional Associations (bestehend aus Berufsverbänden von Ingenieuren, Ärzten, Apothekern, Agraringenieuren, Juristen, Zahnärzten und Veterinären), General Union of Palestinian Teachers, General Union of Palestinian Peasants and Co-ops, General Union of Palestinian Writers, Union of Palestinian Farmers, Palestinian Federation of Unions of University Professors and Employees (PFUUPE), Union of Public Employees in Palestine-Civil Sector; sowie aller Gewerkschaftsblöcke, die die Palestine General Federation of Trade Unions (PGFTU) bilden: Central Office for the Workers Movement, Progressive Labor Union Front, Workers Unity block, Progressive Workers Block, Workers solidarity organization, Workers Struggle Block, workers resistance block, Workers Liberation Front, Union of Palestinian Workers Struggle Committees, National Initiative (al-Mubadara) Block.
– Palestinian Trade Union Coalition for BDS (PTUC-BDS)
ptuc-bds@bdsmovement.net
1 Entgegen anders lautender Gerüchte ruft die PGFTU (Allgemeine Föderation der Gewerkschaften Palästinas) in ihrer vor kurzem abgegebenen Erklärung explizit zu einem vollständigen Boykott Israels und all seiner Institutionen auf, die an der Besatzung mitschuldig sind: http://www.bdsmovement.net/2011/pgftu-clarrification-6559
2 http://www.whoprofits.org/Company%20Info.php?id=889
3 http://electronicintifada.net/v2/article10379.shtml
4 http://www.labourstart.org/israel/Histadrut_on_Gaza.pdf
5 http://www.histadrut.org.il/index.php?page_id=1801
6 http://www.alternativenews.org/english/index.php/topics/news/2422-israel-owes-over-nis-83-billion-to-palestinian-workers-from-the-occupied-palestinian-territories
Statement of Principles & Call for International Trade Union Support for BDS
(BDS-Kampagne.de / Übersetzung aus dem Englischen: Angelica Seyfrid)