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Sechs Gründe warum niemand die sogenannte “EUMC”- oder IHRA- Arbeitsdefinition von Antisemitismus übernehmen sollte

Eine Politikberatung, die das Informationsblatt über die
IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) Antisemitismus-Arbeitsdefinition begleitet.

ECCP und Free Speech on Israel 1, Dezember 2017

 

Antisemitismus wird gemeinhin in Übereinstimmung mit dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) als Rassismus oder Rassendiskriminierung verstanden, die sich gegen Personen oder eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer jüdischen Religion, Herkunft oder Identität richtet

Regierungen, politische Parteien sowie öffentliche und private Institutionen werden jedoch aufgefordert, sogenannte “neue und universelle Arbeitsdefinitionen von Antisemitismus” zu übernehmen, die ein gemeinsames Thema haben: Sie alle legen fest, dass nicht nur Juden, sondern auch der Staat Israel Ziel des Antisemitismus sein kann.

In fast identischem Wortlaut formuliert, werden diese “Arbeitsdefinitionen  von Antisemitismus” alternativ als offizielle Definitionen der EUMC (Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit) oder der IHRA (Internationalen Allianz für Holocaustgedenken) propagiert. In den Vereinigten Staaten wird ein ähnliches Dokument als “State Department Working Definition of Antisemitism” vorgestellt.

Keine dieser “Arbeitsdefinitionen” sollte von jemanden übernehmen werden, weil:

1. Die in diesen “Arbeitsdefinitionen” propagierte Definition von Antisemitismus wurde von der EU-Grundrechteagentur (Fundamental Rights Agency FRA) bereits abgelehnt. Die EU hat weder die sogenannte “EUMC-Arbeitsdefinition” noch die Definition der IHRA übernommen. Niemand ist gesetzlich verpflichtet, eine dieser beiden Definitionen zu übernehmen.

Die sogenannte “EUMC-Arbeitsdefinition” wurde von der EUMC nie übernommen. Im Jahr 2007 wurde die EUMC geschlossen und durch die EU-Grundrechteagentur (FRA) ersetzt. Ein Dokument mit dem Titel “EUMC Working Definition of Antisemitism” wurde 2013 von der Website der FRA entfernt; die FRA erklärte, dass es nie als eine gültige Antisemitismus-Definition angesehen worden sei, der FRA keine offizielle EU-Definition von Antisemitismus bekannt sei und dass das Dokument im Zuge einer Aufräumaktion von nicht-offiziellen Dokumenten entfernt worden sei.

Dennoch wird die “EUMC Arbeitsdefintion” weiterhin so präsentiert, als wäre sie ein offizielles EU-Dokument. Seit der Verabschiedung durch die IHRA im Jahr 2016 wurde derselbe Text auch als “IHRA -Arbeitsdefinition von Antisemitismus” propagiert. Niemand ist verpflichtet, einer dieser Definitionen zuzustimmen, die in der Tat bereits von der EU-FRA als ungültig abgetan wurden.  Sie sind nicht rechtswirksam.

2. Die sogenannte IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus wurde nicht einmal von der IHRA selbst angenommen.

Die IHRA ist eine zwischenstaatliche Organisation, die über den Holocaust informiert und aufklärt. Sie wurde 1998 gegründet und hat derzeit 31 Mitgliedsstaaten und ein ständiges Büro in Berlin.

Auf der IHRA-Website steht eine Pressemitteilung, in der die Verabschiedung einer “nicht rechtsverbindlichen IHRA-Antisemitismus-Arbeitsdefinition” durch das Plenum der Mitgliedstaaten in Bukarest im Mai 2016 veröffentlicht wird.

Der Inhalt der Pressemitteilung ist sprachlich identisch mit dem Dokument, das fälschlicherweise als “EUMC- Arbeitsdefinition” bezeichnet wird.  Die gesamte Pressemitteilung wurde öffentlich als IHRA-Definition bezeichnet, auch von der britischen Regierung und dem europäischen Parlament. Das ist inkorrekt.

Auf  Anfragen hat das Büro der IHRA in Berlin klargestellt, dass die Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die von der IHRA in ihrer Sitzung im Mai 2016 angenommen wurde, die in Abschnitt 3 zitierte aus  40-Wörtern bestehende Definition ist – siehe dieses Dokument für weitere Details. Um es klipp und klar zu sagen – die Arbeitsdefinition, die formal von den Mitgliedstaaten der IHRA angenommen wurde, ist nicht die gesamte, sondern nur die beiden eingerahmten Sätze in der Pressemitteilung.

Der Rest der Pressemitteilung wiederholt die Leitlinien und “illustrativen Beispiele” aus der EUMC-Definition, von denen die meisten eine Reihe von Kritiken an Israel als prima facie Beispiele für Antisemitismus bezeichnen. Um jegliche Unsicherheit zu vermeiden, wurden die Leitlinien und Beispiele nicht von der IHRA übernommen. Die Benennung des gesamten Bündels (formale Definition plus Anleitung und Beispiele) als “die Definition der Allianz für Holocaustgedenken” hat zweifelsohne zu ihrer scheinbaren Autorität und emotionalen Kraft beigetragen, aber wir wissen jetzt, dass diese Zuschreibung ungültig ist.

3. Die Definition der IHRA ist so vage und unspezifisch, dass sie für den Kampf gegen Antisemitismus wertlos ist.

Der Wortlaut der von der IHRA angenommenen Definition lautet:

“Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.” (Hervorhebungen hinzugefügt)

Diese beiden Sätze und vierzig Wörter sind durch eine völlig unangemessene und unnötige Vagheit gekennzeichnet, wie oben durch die hervorgehobenen Wörter und Phrasen verdeutlicht wird. Was ist diese bestimmte Wahrnehmung? Warum wird sie nicht in klaren Worten erklärt? Wenn Antisemitismus sich vielleicht – aber nicht notwendigerweise – als Hass auf Juden ausdrücken kann, was sind dann seine anderen Ausdrucksformen? Unter welchen Umständen und warum sollten antisemitische Handlungen auch gegen nichtjüdische Personen und/oder deren Eigentum gerichtet sein, und wer sind diese Personen?

Wir wollen darauf hinweisen (siehe Punkt 4 unten), dass diese Vagheit und Unklarheit des Wortlauts eindeutig als bewußt zu betrachten ist. Diese Formulierung ist wertlos, wenn es darum geht antisemitische Handlungen oder Aussagen zu identifizieren. Aber so bietet sie eine offensichtliche Notwendigkeit, die Definition mit einer interpretativen Erklärung zu begleiten, d.h. mit der Möglichkeit Konzepte einzuführen, die ansonsten mit dem Verständnis von Antisemitismus nicht verbunden wären.

Die illustrativen Beispiele, die mit der Arbeitsdefinition der IHRA zirkulieren, legen nahe, dass Antisemitismus nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen den Staat Israel und seine Anhänger gerichtet sein kann. Diese Interpretation scheint der ansonsten obskuren IHRA-Definition einen Sinn zu geben. Die nun vorliegende Klarstellung der IHRA zeigt jedoch, dass diese Beispiele und die erweiterte Auslegung des Antisemitismus nicht vom Plenum der IHRA übernommen wurden.

4. All die Dokumente zu dieser “Arbeitsdefinition” legen durch ihre ‘Beispiele’ nahe, dass Antisemitismus nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen den Staat Israel (“eine jüdische Gemeinschaft”) und seine Anhänger gerichtet sein kann. Diese Beispiele und die erweiterte Auslegung von Antisemitismus wurde jedoch von der IHRA nicht übernommen und haben tatsächlich auch keine völkerrechtliche Grundlage.

Sowohl die sogenannte “EUMC-Arbeitsdefinition” als auch die IHRA-Pressemitteilung liefern sehr ähnliche Beispiele, um zu behaupten und zu veranschaulichen, dass Antisemitismus sich als Hass gegen den Staat Israel manifestieren kann. Die Klarstellung der IHRA zeigt nun aber, dass diese Beispiele nie vom Plenum der IHRA-Mitglieder übernommen wurden. Sie wurden jedoch weithin wahrgenommen und es wird so getan, als ob sie Teil der “IHRA Arbeitsdefinition des Antisemitismus” wären.

Diese Illustrationen beginnen damit, dass festgelegt wird, dass der “Staat Israel, der als jüdische Gemeinschaft wahrgenommen wird”, das Ziel von Antisemitismus sein könnte. Daran schließt sich eine Liste von Beispielen angeblich antisemitischer Angriffe gegen den Staat Israel an, darunter unter anderem “die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts des jüdischen Volkes, z.B. durch die Behauptung, dass die Existenz eines Staates Israel ein rassistisches Unterfangen ist”, oder “die Anwendung von Doppelmoral, indem vom Staat Israel ein Verhalten verlangt wird, das von keiner anderen demokratischen Nation erwartet oder verlangt wird”.

Die Behauptung, dass der Staat Israel als “jüdische Gemeinschaft” angesehen werden muss, liegt all diesen “Illustrationen” zugrunde. Diese Behauptung spiegelt tatsächlich die diskriminierenden Gesetze Israels und die zionistische Ideologie wider, die Israel als Staat einer “jüdischen Nation” definieren, einen Staat, der Juden sowohl in Israel als auch weltweit einschließt und vertritt und seine palästinensischen Bürger und die palästinensischen Flüchtlinge ausschließt.

Gemäß dem Völkerrecht vertritt Israel wie jeder andere Staat alle seine Bürger und nicht eine “jüdische Gemeinschaft”. Tatsächlich werden viele Juden weltweit nicht durch Israel vertreten und wollen dies auch nicht. Gemäß dem Völkerrecht ist Israel zudem an das Verbot der Rassendiskriminierung gebunden und muss die Menschenrechte der gesamten Bevölkerung achten und schützen. Dazu gehören die Grundrechte auf Rückkehr, Eigentum und Gleichheit der palästinensischen Flüchtlinge und Bürger. Es gibt keine völkerrechtliche Grundlage für ein Recht auf Selbstbestimmung eines “jüdischen Volkes” auf Kosten dieser Grundrechte der Palästinenser oder des von der UNO anerkannten Rechts auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes; und kein Recht für Israel als Besatzungsmacht, eine Politik des Bevölkerungstransfers durchzuführen, um besetzte palästinensische Gebiete zu kolonisieren und zu annektieren. Dementsprechend stellt die notwendige Kritik am israelischen System der Rassendiskriminierung, Segregation und Apartheid keinen Hass gegen Juden dar; ebenso wenig wenden zivilgesellschaftliche Kampagnen und Resolutionen der UNO sowie der EU Doppelstandards an, noch verteufeln sie den Staat Israel oder bedrohen dessen Existenz, wenn sie Israel auf Grundlage der universellen Standards des Völkerrechts zur Rechenschaft ziehen.

5. In der Praxis hat eine Annahme der “EUMC”- oder IHRA-Arbeitsdefinition den Effekt, dass Folgendes untergraben wird:

  • Achtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung;
  • Achtung des Völkerrechts in Bezug auf Israel und das palästinensische Volk, sowie
  • den Kampf gegen Antisemitismus

Europäische Kommunal-, Regional- und Zentralregierungen und Behörden, Parlamente und öffentliche Institutionen haben eine rechtliche Verpflichtung nach ihren jeweiligen nationalen Gesetzen und Verfassungen, EU-Recht und internationalem Gewohnheitsrecht und Vertragsrecht:

  • das Recht auf freie Meinungsäußerung in ihrem Land zu achten und zu schützen;
  • Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, auch im Hinblick auf Israel und die Palästinenser. Dazu gehört zumindest die Pflicht, israelische Politiken oder Praktiken, die das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes verletzen und/oder das allgemeine Verbot der Rassendiskriminierung und das Verbot des dauerhaften Erwerbs besetzter palästinensischer Gebiete, nicht anzuerkennen und nicht zu unterstützen.

Auf dieser Grundlage haben mehr als 200 Rechtsgelehrte die europäischen Regierungen dazu aufgerufen, anzuerkennen, dass die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) eine legitime Bewegung für die palästinensischen Menschenrechte ist, unabhängig davon, ob sie diese selbst unterstützen oder nicht. Die EU sowie die Regierungen der Niederlande, Irlands, Schwedens und das spanische Parlament haben öffentlich bestätigt, dass sie zwar keine Boykotte oder Sanktionen gegen Israel befürworten, aber gewaltfreie BDS-Kampagnen als ein garantiertes Recht der Bürger betrachten, das unter die Meinungsfreiheit fällt.

In diesem Sinne haben Rechtsexperten (Dubuisson, 2005; Tomlinson, 2017) die Entscheidungsträger*innen auf die Schwachstellen in den  “EUMC”- und IHRA-Arbeitsdefinitionen von  Antisemitismus, insbesondere die Verschmelzung von politischer Kritik am Staat Israel mit Antisemitismus, aufmerksam gemacht. Ihre Analysen und Rechtsgutachten haben vor der Gefahr gewarnt, dass die Annahme und Anwendung dieser Definitionen zu Maßnahmen führen könnte, die legitime Kritik am Staat Israel und seiner Politik sowie die Meinungsfreiheit und die demokratische Debatte über den Staat Israel und seine Politik untergraben.

Die Praxis zeigt inzwischen, dass diese “Arbeitsdefinitionen” fast ausschließlich dazu benutzt werden, die Meinungsfreiheit europäischer Individuen, Gruppen und Organisationen, die Israel kritisieren und/oder sich für die Rechte der Palästinenser*innen einsetzten, einzuschränken. In Deutschland beispielsweise reichen die politischen Parteien auf der Grundlage der IHRA-Arbeitsdefinition und unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus politische Anträge zur Annahme durch die Stadtverwaltung ein, die verhindern würden, dass deutsche Städte öffentlichen Raum und Subventionen für Gruppen, Organisationen und Veranstaltungen gewähren, die als Unterstützer der “antisemitischen BDS-Bewegung” gelten. Jeder, der sich gegen eine israelische Politik ausspricht, die palästinensische Rechte verletzt oder die Selbstdefinition Israels als “Staat des jüdischen Volkes” kritisiert, darunter auch jüdische Bürger Deutschlands und Holocaust-Überlebende, kann als antisemitisch verunglimpft und ins Visier genommen werden. In Großbritannien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Dänemark wurde die IHRA-Arbeitsdefinition ebenfalls von Regierungen, Behörden, politischen Parteien, Parlamenten und Universitäten verwendet, um legitime Kritik an der israelischen Politik und die Unterstützung palästinensischer Rechte als Antisemitismus zu diskreditieren, einzuschränken oder zu kriminalisieren.

Die Annahme und Anwendung der “EUMC”- oder IHRA- Arbeitsdefinition untergräbt auch den Kampf gegen den Antisemitismus selbst. Sie trüben den Blick darauf, was Antisemitismus wirklich ist. Solche fabrizierten Definitionen fördern falsche Anschuldigungen und bergen die Gefahr, dass wirkliche Vorfälle/Angriffe, die durch antijüdische Gefühle motiviert sind, nicht ernst genommen werden. Darüber hinaus behindert die Behauptung, dass Israel und alle Juden ein und das selbe sind, die Anerkennung der Vielfalt der jüdischen Gemeinden und der vielen Juden, die sich für die palästinensischen Rechte einsetzen, und fördert die Wahrnehmung, dass alle Juden für die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel verantwortlich und rechenschaftspflichtig sind. Schließlich unterstützt die in diesen “Arbeitsdefinitionen” gemachte Verschmelzung der politischen Israel-Kritik mit Antisemitismus die umgekehrte (und irrige) Schlussfolgerung, dass die unkritische Unterstützung des Staates Israel ein Indikator für das Engagement im Kampf gegen Antisemitismus ist. Auf diese Weise legitimiert und ermutigt sie Bündnisse mit politischen Kräften, die die gegen Palästinenser gerichtete israelische Politik unterstützen und gleichzeitig eine rassistische oder sogar antisemitische Agenda verfolgen. Ein Beispiel dafür ist die in den USA zunehmende öffentliche Toleranz und Legitimität des Rassismus von Menschen, die eine weiße Vorherrschaft anstreben und gleichzeitig überzeugte Anhänger des Staates Israel sind.

Diese und andere damit zusammenhängende Fragen diskutiert die renommierte politische Philosophin und Aktivistin Judith Butler von Jewish Voice for Peace in diesem Video über BDS und den Kampf gegen Antisemitismus.

Die “EUMC” oder IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus ist ein Instrument für eine israelische politische Agenda, die von allen abgelehnt werden sollte.

Die “Arbeitsdefinition” wurde im Zusammenhang mit der israelischen Debatte Anfang der 2000er Jahre über eine “große Strategie gegenüber der Europäischen Union” entwickelt, die die Beziehungen zwischen der EU und Israel stärken und Israel gleichzeitig in die Lage versetzen sollte, sein illegales Siedlungsunternehmen aufrechtzuerhalten und den Druck der EU auf eine Zweistaatenlösung und die Achtung der Rechte seiner palästinensischen Bürger zu bremsen.  Israelische und US-amerikanische zionistische jüdische Wohltätigkeitsorganisationen, Think Tanks und Lobbyisten haben eine propagandistische Initiative ergriffen, die darauf abzielt, die Kritik an der israelischen Politik zum Schweigen zu bringen, indem sie sie als “neuen Antisemitismus” bezeichnen, und behaupten, dass der “neue Antisemitismus” in der europäischen Zivilgesellschaft, der EU und den Vereinten Nationen die Form von “Doppelstandards” und “Dämonisierung und Delegitimierung” des Staates Israel annimmt. Die “EUMC” oder IHRA “Arbeitsdefinition für Antisemitismus” ist ein Instrument dieser Initiative.

Die Ausarbeitung der “Arbeitsdefinition” wurde 2004 abgeschlossen. Seitdem wird sie von der israelischen Regierung und unter anderem vom American Jewish Committee (AJC), Simon Wiesenthal Center, European Jewish Committee (ECJ), NGO Monitor und UN Watch propagiert, besonders, aber nicht nur, in ihrem Kampf gegen die wachsende, von der palästinensischen Zivilgesellschaft geführte BDS-Bewegung.

In der Zwischenzeit haben die Regierungen Rumäniens, des Vereinigten Königreichs und Österreichs die so genannte “IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus” übernommen, während das Europäische Parlament die prinzipielle Position der EU durch eine Resolution untergraben hat, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Definition, die bereits 2013 von der EU-Grundrechteagentur (FRA) als ungültig abgewiesen wurde, anzunehmen und anzuwenden.

Die Bemühungen um eine offizielle Bestätigung der “Arbeitsdefinition” wurden von Einzelpersonen angeführt, die diesen israelischen Lobbygruppen angehören und die auch als “Experten für Antisemitismus” in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der IHRA und/oder der Europäischen Union, einschließlich ihrer Kommission, des Parlaments und früher des EUMC, tätig sind. Da bisher weder die OSZE noch die EU bereit waren, diese fingierte Definition zu übernehmen, wurde die zwischenstaatliche IHRA als das Gremium ausgewählt, das ihr einen offiziellen Anschein gewähren sollte.

Fußnote

1 * ECCP (European Coordination of Committees and Associations for Palestine) ist ein Netzwerk von 42 europäischen Komitees, Organisationen, NGOs, Gewerkschaften und internationalen Solidaritätsbewegungen aus 19 europäischen Ländern, die sich dem Kampf des palästinensischen Volkes für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit widmen.

* Free Speech on Israel ist eine von Juden und Jüdinnen geführte britische Organisation, die gegründet wurde, um Antisemitismusvorwürfen entgegenzutreten, welche auf die Unterdrückung legitimer Kritik an Israel abzielen.

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Original: Six Reasons why no one should adopt the so-called “EUMC” or IHRA Working Definition of Antisemitism
Übersetzung: Stephanie Reiß


Zum Thema:

Johannes Feest: Israelkritik und Antisemitismusvorwurf. Veranstaltungsverbote als Problem der Meinungsfreiheit

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