Akademischer BoykottOffene Briefe

Offener Brief an die Deutsche Forschungsgemeinschaft et al.

26. August 2013

In einem offenen Brief an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) et.al haben sich am 26. August 2013 mehrere Gruppen und Organisationen aus England, Frankreich, Österreich, Israel und Deutschland gegen die Kooperation der Freien Universität Berlin und der Hebrew University of Jerusalem zum Thema “Human Rights under Pressure – Ethik, Recht und Politik”  (English) ausgesprochen.

Eine Antwort blieb bislang aus – 22.September 2013

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Berlin, 26. August 2013

Offener Brief an

Univ.-Professor Dr. Brigitta Schütt,
Univ.-Professor Dr. Klaus Hoffmann-Holland,
Professor Peter-André Alt
Und an die Vertreter_innen
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Dr. Jeroen Verschragen),
des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Board of Directors),
des Menschenrechtszentrums Uni Potsdam (Direktoren)

wir schreiben Ihnen, um unsere Empörung über die Kooperation zwischen der Freien Universität Berlin (FU) und der Hebräischen Universität von Jerusalem (HUJ) im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs “Human Rights under Pressure – Ethik, Recht und Politik” zum Ausdruck zu bringen 1. Es gibt unserer Auffassung nach nichts Ethisches oder Rechtliches an einer Kooperation mit einer akademischen Institution wie der HUJ, die sich systematisch an Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts mitschuldig macht.

Dies wird nicht zuletzt durch die Kooperation zwischen dem Militärprogramm Talpiot, das in der HUJ entstanden und da beheimatet ist, deutlich 2. Wie Sie dem Internetauftritt des israelischen Ministeriums für Verteidigung entnehmen können, stellt dieses Programm eine Initiative dar, in der eine militärische Elite ausgebildet wird, die unter anderem zur Forschung und Entwicklung von militärischen Waffen beitragen soll 3.

Auch außerhalb der Ausbildung militärischer Eliten und somit der Weiterführung und Perfektion der militärischen Besatzung, ermutigte die HUJ StudentInnen, direkt an militärische Operationen teilzunehmen. Exemplarisch hierfür können die Operation „Defensive Shield“ aus dem Jahre 2002 genannt werden, in der StudentInnen, die sich als ReservistInnen den israelischen Streitkräften anschlossen, von der HUJ mit einem Stipendien von NIS 1,500 (300 Euro) gefördert wurden 4. Die Ermutigung zur aktiven Teilnahme an Kriegshandlungen wurde auch im zweiten Libanonkrieg 2006 und beim Überfall auf Gaza (OPT) 2008/2009 verfolgt und von der HUJ unterstützt und subventioniert(Seite 10). Dabei erstreckte sich die Unterstützung bzw. Subvention von Auszahlung von Stipendien bis über zur Anrechnung von Studienleistung 5.

Die HUJ eignete sich einen erheblichen Teil des Grundstücks, auf dem sich heute ihr Mount Scopus Campus und ihre Wohnheime befinden, in illegaler Weise an. Am 1. September 1968, etwas mehr als ein Jahr nachdem der Staat Israel seine illegale und andauernde militärische Besatzung des Gazastreifens und der Westbank einschließlich Ost-Jerusalems begann, beschlagnahmten die israelischen Behörden 3345 Dunum palästinensisches Land. Auf einem Teil dieses nach internationalem Recht als besetztes palästinensisches Gebiet definierten Landes wurde der Mount Scopus Campus der Hebräischen Universität erbaut. Israels unilaterale Annektierung des besetzten Ost-Jerusalem und die Anwendung nationalen israelischen Rechts auf diesem Territorium konstituieren Verstöße gegen die Vierte Genfer Konvention und wurden von der internationalen Gemeinschaft, unter anderem durch die UN-Sicherheitsratsresolution 252 vom 21. Mai 1968 6, wiederholt verurteilt und für null und nichtig erklärt. Indem die HUJ israelische BürgerInnen (Personal und StudententInnen) veranlasst, auf besetztem palästinensischem Land zu arbeiten und zu leben, verletzt sie in schwerer Weise die genannten Konventionen und Resolutionen. Mit einer Institution zu kooperieren, die sich direkt der israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete mitschuldig macht, kommt einer Befürwortung der Besatzung sowie der schweren Verletzungen der Menschenrechte durch die HUJ gleich. Dieser Umstand bekommt im Rahmen eines „Forschungsprogramms zu Menschenrechten“ einen besonders bitteren Beigeschmack.

Die Zusammenarbeit der FU mit der HUJ steht in direktem Widerspruch zum Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen 7 gegen den Staat Israel und die mit ihm assoziierten Institutionen aus dem Jahr 2005 (der genau ein Jahr nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die Rechtsfolgen des Baus einer Mauer in dem besetzten palästinensischen Gebiet , einschließlich in Ost-Jerusalem und seiner Umgebung, veröffentlich wurde8). Dieser Aufruf zielt auf all diejenigen Institutionen und Organisationen ab, die in grobe Verletzungen der Menschenrechte verwickelt sind. Hierzu zählen die Aufrechterhaltung der bislang am längsten andauernden illegalen militärischen Besatzung in der modernen Geschichte, die systematische Diskriminierung der palästinensischen BürgerInnen Israels und die anhaltende Verweigerung des UN-sanktionierten Rechts auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Häuser und Ländereien im Staat Israel. Von den erfolgreichen Boykottaufrufen gegen das Apartheidregime in Südafrika inspiriert, stellt dieser Aufruf eine gewaltfreie und moralisch konsistente Strategie dar, um Israel zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards zu bewegen wie dies von allen Nationen erwartet wird – den gleichen Werten, die Ihr Graduiertenkolleg zu erforschen sucht.

Als Teil dieses Boykottaufrufs haben die PalästinenserInnen die akademische Gemeinschaft weltweit aufgerufen, von jeglicher Form wissenschaftlicher und kultureller Kooperation, von Zusammenarbeit oder gemeinsamen Projekte mit staatlich finanzierten israelischen Institutionen abzusehen. Dieser Aufruf gilt so lange, bis Israel internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt und sich aus in 1967 besetzen Ländern, einschließlich Ost-Jerusalem, zurückzieht, alle seine Siedlungen in diesen Ländern räumt und die Mauer abreißt, die Resolutionen der Vereinten Nationen bezüglich der Wiederherstellung der Rechte palästinensischer Flüchtlinge akzeptiert, und den palästinensischen BürgerInnen Israels volle und gleiche Rechte gewährt.

Namhafte AkademikerInnen und wissenschaftliche Institutionen sind diesem Aufruf in den vergangenen Jahren gefolgt und haben damit ihre Unterstützung für die durch internationales Recht verbürgten legitimen Forderungen der PalästinenserInnen bekundet. Hierzu gehören beispielsweise die University and College Union 9 in Großbritannien, die Association for Asian American Studies 10 in den USA u.v.a.m. In diesem Jahr entschloss sich auch der weltberühmte theoretische Physiker Stephen Hawking,11 seine Zusage zur jährlichen Wissenschaftskonferenz des israelischen Präsidenten zurückzuziehen und den Boykottaufruf offiziell zu unterstützen.

Durch eine Zusammenarbeit mit der HUJ, und dies ausgerechnet in einem Forschungsprogramm zu Menschenrechten, bricht die FU nicht nur den Boykott der palästinensischen Zivilgesellschaft, sondern verhöhnt damit geradezu jene universellen Menschenrechte, indem sie hilft, die Verstrickung der HUJ in die israelische Besatzung zu beschönigen, zu verdecken und zu normalisieren.

In Anbetracht der alltäglichen Diskriminierungen gegenüber palästinensischen StudentInnen an der HUJ selbst, die sich unter anderem durch die gewaltvolle Niederschlagung von friedlichen Protesten oder dem Verbot der Durchführung kultureller Veranstaltungen äußern, verwehrt die HUJ palästinensischen StudentInnen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit 12. Die FU unterstützt mit ihrer Kooperation implizit den Ansatz der HUJ, Menschenrechte nur bestimmten Menschen zuzusprechen.

Statt mit dem moralischen Gewicht der FU Berlin dieses Unrecht zu beschönigen und zu normalisieren, bitten wir Sie dringend, den palästinensischen Boykottaufruf und den Kampf gegen Besatzung, Kolonialismus und Apartheid 13 zu respektieren, und Wissen und Bildung weltweit dadurch zu fördern, dass Sie den Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit unterstützen.

Wir bitten um Ihre geschätzte Antwort.

Kontakt: bdsmovement-Berlin@web.de

BDS Berlin
Berlin Academic Boycott
Boycott! Supporting the Palestinian BDS Call from Within (Israel)
British Committee for the Universities of Palestine /BRICUP
Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Palestine – Strasbourg
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V.
Frauen in Schwarz (Wien)
Jews for Boycotting Israeli Goods (Großbritannien)
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Germany
Kritische Jüdische Stimme (Österreich)
Palästina-Forum-Nahost, Frankfurt/Main
Palästinakomitee Stuttgart
Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Palästinensische Gemeinde Deutschland e.V.

1 http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2013/fup_13_123/index.html

2 http://www.signallake.com/innovation/Talpiot070607.pdf

3 http://www.mod.gov.il/pages/Talpiot/academic.asp

4 http://alternativenews.org/images/stories/downloads , S. 13

5 http://alternativenews.org/images/stories/downloads , S. 12

6 http://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/46F2803D78A0488E852560C3006023A8

7 http://www.bdsmovement.net/call#German

8 The call was published one year after the Advisory Opinion of the International Court of Justice on Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory / http://www.icj-cij.org/docket/index.php?pr=71&code=mwp&p1=3&p2=4&p3=6 und http://www.un.org/depts/german/gv-notsondert/ar-es10-15.pdf

9 http://bricup.org.uk/documents/FraserCasePR.pdf

10 http://aaastudies.org/content/

11 http://www.guardian.co.uk/world/2013/may/08/stephen-hawking-israel-academic-boycott

12 http://alrasedproject.files.wordpress.com/2013/02/alrased1_eng.pdf

13 http://untreaty.un.org/cod/avl/ha/cspca/cspca.html,
http://www.un.org/depts/german/internatrecht/roemstat1.html und http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/docs/CERD.C.ISR.CO.14-16.pdf

Open letter – English version

BDS Berlin Logo für Webseite
Berlin, August 26, 2013
Open Letter to
Univ.-Professor Dr. Brigitta Schütt,
Univ.-Professor Dr. Klaus Hoffmann-Holland,
Professor Peter-André Alt
and the repräsentatives of
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Dr. Jeroen Verschragen),
Deutschen Institut für Menschenrechte (Board of Directors),
Menschenrechtszentrums Uni Potsdam (Directors)

Dear Sirs or Mesdames,
We are writing to express our outrage at the Deutsche Forschungsgemeinschaft funded cooperation agreement for the Research Training Group between the Free University and the Hebrew University, “Human Rights under Pressure – Ethics, Law and Politics”1.There is in fact nothing ethical or legal in a cooperation agreement with an academic institution that is complicit in systematic violations of human rights and international law.

This complicity is illustrated by the involvement of the Hebrew University Jerusalem (HUJ) in the military programme Talpiot, which was started in the HUJ and is situated in the university 2. As you can learn from the website of the Israeli Ministry of Defence this programme aims to educate a military elite which is also capable to contribute to the research on and development of military weapons 3. Even besides the education of military elites and thus the continuation and perfecting of the military occupation the HUJ has encouraged students directly to take part in military operations. For example during the operation “Defensive Shield“ in 2002 the students that joined the Israeli army on reserve duty received a grant by the HUJ equating Euro 300 4. This policy to encourage the active participation in the fighting has also been supported and subsidized by the HUJ during the second Lebanon war in 2006 and during the aggression against the Gaza Strip (Occupied Palestinian Territory, OPT) in 2008/2009. The respective support and subsidizing included the payment of grants for the students as well as the recognition of the time of military service as academic performance 5.
The Hebrew University illegally acquired a significant portion of the land on which its Mount Scopus campus and dormitories are built. On 1 September 1968, just over a year after Israel’s illegal and ongoing military occupation of the Gaza Strip and the West Bank began, the Israeli authorities confiscated 3345 dunums of Palestinian land. Part of this land was used to build the Mount Scopus campus of Hebrew University, which is occupied Palestinian territory according to international law. Israel’s unilateral annexation of occupied East Jerusalem into the State of Israel, and the application of Israeli domestic law to it, are violations of the Fourth Geneva Convention, and have been repeatedly denounced as null and void by the international community, including by the UN Security Council in its Resolution 252 of May, 21st ,1968. 6 By moving Israelis (staff and students) to work and live on occupied Palestinian land, the Hebrew University is, therefore, in grave violation of those same Geneva conventions. To cooperate with an institution that is directly complicit in the Israeli occupation of Palestinian lands is to endorse this occupation and the Hebrew University’s grave violations of human rights under the guise of a “human rights” research program.

Your cooperation agreement is in direct contravention of the 2005 Palestinian civil society call for boycott, divestment and sanctions 7 against the state of Israel and its institutions 8 that are complicit in gross violations of human rights that include the longest running illegal military occupation in modern history, systematic racial discrimination against Palestinian citizens of Israel and the ongoing denial of the UN-endorsed right of return of Palestinian refugees to their homes and lands in the state of Israel. This call, inspired by triumphant the boycott call against Apartheid South Africa, is a nonviolent and a morally consistent strategy with which to hold Israel accountable to the same human rights standards as other nations, the same values which your cooperation purportedly seeks to research.

As part of this boycott call, Palestinians have asked the academic community to refrain from participation in any form of academic and cultural cooperation, collaboration or joint projects with Israeli institutions, until Israel complies with international law and withdraws from all the lands occupied in 1967, including East Jerusalem; removes all its colonies in those lands; agrees to United Nations resolutions relevant to the restitution of Palestinian refugees rights; and dismantles its system of apartheid that accords Palestinian in the occupied territories no rights at all and those who are citizens of Israel second-class status.

Renowned academics and academic institutions have followed this call in recent years and have thus expressed their support demands of the Palestinians which are guaranteed by international law legitimate. These include, for example, the University and College Union 9 in the UK, the Association for Asian American Studies 10 and many others in the U.S. This year, the world-famous theoretical physicist Stephen Hawking 11 decided to withdraw his commitment to the annual scientific conference of the President of Israel and to support the boycott officially.
By cooperating with the Hebrew University’s on nothing other than a human rights research program, the Free University will not only be crossing this picket line, but it will also be making a mockery of universal human rights as it whitewashes and obscures the Hebrew University’s complicity in the Israeli occupation of Palestinian land, and as it endorses the Hebrew University’s working principle of human rights only for some.

In view of the everyday discrimination against Palestinian students at the HUJ itself, which are manifested among other things by the violent crackdown of peaceful protests or prohibition of organizing cultural events, the HUJ denies Palestinian students their right to freedom of expression and freedom of assembly 12. With its cooperation the FU implicitly supports the approach of HUJ to award human rights only to certain people.

Instead, we urge you to honor the Palestinian boycott call and their fight against occupation, colonialism and apartheid 13 to promote knowledge and education worldwide by standing in support of the struggle for freedom, justice and equality.

We kindly ask for your reply.

Kontakt: bdsmovement-Berlin@web.de

BDS Berlin
BerlinAcademic Boycott
Boycott! Supporting the Palestinian BDS Call from Within (Israel)
British Committee for the Universities of Palestine /BRICUP
Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Palestine – Strasbourg
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V.
Frauen in Schwarz (Vienna)
Jews for Boycotting Israeli Goods (UK)
Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Germany
Kritische Jüdische Stimme (Austria)
Palästina-Forum-Nahost, Frankfurt/Main
Palästinakomitee Stuttgart
Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg
Palästinensische Gemeinde Deutschland e.V.

1 http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2013/fup_13_123/index.html

2 http://www.signallake.com/innovation/Talpiot070607.pdf

3 http://www.mod.gov.il/pages/Talpiot/academic.asp

4 http://alternativenews.org/images/stories/downloads , S. 13

5 http://alternativenews.org/images/stories/downloads , S. 12

6 http://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/46F2803D78A0488E852560C3006023A8

7 http://www.bdsmovement.net/call#German

8 The call was published one year after the Advisory Opinion of the International Court of Justice on Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory / http://www.icj-cij.org/docket/index.php?pr=71&code=mwp&p1=3&p2=4&p3=6 und http://www.un.org/depts/german/gv-notsondert/ar-es10-15.pdf

9 http://bricup.org.uk/documents/FraserCasePR.pdf

10 http://aaastudies.org/content/

11 http://www.guardian.co.uk/world/2013/may/08/stephen-hawking-israel-academic-boycott

12 http://alrasedproject.files.wordpress.com/2013/02/alrased1_eng.pdf

13 http://untreaty.un.org/cod/avl/ha/cspca/cspca.html,
http://www.un.org/depts/german/internatrecht/roemstat1.html und http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/docs/CERD.C.ISR.CO.14-16.pdf