BNC updateErklärungenSanktionenUN-Expert*innen

UN-Expert*innen prangern israelische Apartheid an und fordern Sanktionen

16. Juni 2020 – Palestinian BDS National Committee (BNC)

Erklärung von Dutzenden von UN-Expert*innen zu Israels geplanter  Annexion stärkt die  Forderung der palästinensischen Zivilgesellschaft.

Der nationale palästinensische BDS-Ausschuss (BNC), die größte Koalition in der palästinensischen Zivilgesellschaft, lobt Dutzende von UN-Expert*innen für ihren Mut, Wahrheiten auszusprechen, die Staaten und internationale Organisationen, die sie vertreten, darunter die UN und die EU, zu unterdrücken und zu umgehen versuchten.

Die UN-Expert*innen äußerten in einer heute in Genf veröffentlichten Erklärung , dass die derzeit von der rechten israelischen Regierung geplante Annexion des besetzten palästinensischen Gebietes ” die Kristallisation einer bereits ungerechten Realität wäre: zwei Völker, die im selben Raum leben, von demselben Staat regiert werden, aber zutiefst ungleiche Rechte haben. Dies ist eine Vision einer Apartheid des 21. Jahrhunderts.“

In ihrer Erklärung forderten sie “Rechenschaftspflicht und ein Ende der Straflosigkeit [als] eine unmittelbare Priorität für die internationale Gemeinschaft”.

Mahmoud Nawajaa, Generalkoordinator der BNC, begrüßte die Erklärung der UN-Experten:

Internationale Untätigkeit und Komplizenschaft haben es  Israel jahrzehntelang ermöglicht, gegen seine Verpflichtungen als kriegsführende Besatzungsmacht zu verstoßen, die Kolonisierung des besetzten palästinensischen Gebietes voranzutreiben und ein Apartheidregime durchzusetzen, das im innerstaatlichen Recht Israels verankert ist.

Angesichts Israels illegaler Annexion, seines Apartheidregimes und seiner Verweigerung unseres unveräußerlichen Rechts auf Selbstbestimmung ist es höchste Zeit, dass alle Staaten und internationalen Organisationen ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen und wirksame Gegenmaßnahmen, einschließlich Sanktionen, ergreifen.

Vorrangig fordert die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Zivilgesellschaft:

  • Verbot des Waffenhandels und der militärisch-sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Israel;
  • Aussetzung der Freihandelsabkommen mit Israel;
  • Verbot jeglichen Handels mit den illegalen israelischen Siedlungen und Gewährleistung, dass Unternehmen Geschäfte mit den illegalen Siedlungsunternehmen Israels unterlassen bzw. beenden;
  • Gewährleistung, dass Einzelpersonen und Unternehmen, die für Kriegsverbrechen bzw.Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit Israels Regime der illegalen Besatzung und Apartheid verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden.

UN experts denounce Israeli apartheid and call for sanctions
Übersetzung: Redaktion BDS-Kampagne.de


***

GENF (16. Juni 2020) – Die Vereinbarung der neuen Koalitionsregierung Israels, nach dem 1. Juli wesentliche Teile der besetzten palästinensischen West Bank zu annektieren, würde gegen ein wichtiges Grundprinzip des Völkerrechts verstoßen und muss von der internationalen Gemeinschaft sinnvoll bekämpft werden, sagten UN-Expert*innen heute. 47 der vom Menschenrechtsrat ernannten unabhängigen Mandate für Sonderverfahren gaben folgende Erklärung ab:

 „Die Annexion von besetztem Gebiet stellt eine schwere Verletzung der Charta der Vereinten Nationen und der Genfer Konventionen dar und steht im Widerspruch zu der vom UN-Sicherheitsrat und der Generalversammlung mehrfach bekräftigten Grundregel, dass der Erwerb von Gebiet durch Krieg oder Gewalt unzulässig ist. Die internationale Gemeinschaft hat die Annexion gerade deshalb verboten, weil sie Kriege, wirtschaftliche Verwüstung, politische Instabilität, systematische Menschenrechtsverletzungen und weit verbreitetes menschliches Leid schürt.

Israels erklärte Pläne zur Annexion würden seine Souveränität über den größten Teil des Jordantals und alle mehr als 235 illegalen israelischen Siedlungen in der West Bank erweitern, was ungefähr 30 Prozent der Westbank ausmachen würde. Die Annexion dieses Territoriums wurde durch den Ende Januar 2020 veröffentlichten US- amerikanischen Peace-to-Prosperity-Plan gebilligt.

Die Vereinten Nationen haben bei vielen Gelegenheiten erklärt, dass die nunmehr 53 Jahre andauernde israelische Besatzung die Quelle tiefgreifender Menschenrechtsverletzungen gegen die Palästinenser*innen sind. Zu diesen Verstößen gehören Landenteignung, Gewalt von Siedler*innen, diskriminierende Planungsgesetze, die Beschlagnahme natürlicher Ressourcen, Abriss von Häusern, gewaltsamer Bevölkerungstransfer, exzessive Anwendung von Gewalt und Folter, Ausbeutung von Arbeitskräften, weitreichende Verletzungen der Persönlichkeitsrechte, Einschränkungen der Medien und der Meinungsfreiheit sowie die gezielte Verfolgung von Aktivistinnen und Journalistinnen, die Inhaftierung von Kindern, Vergiftung durch Kontakt mit giftigen Abfällen, Zwangsräumungen und Vertreibung, wirtschaftliche Entbehrung und extreme Armut, willkürliche Inhaftierung, mangelnde Bewegungsfreiheit, Ernährungsunsicherheit, diskriminierende Strafverfolgung und die Auferlegung eines zweistufigen Systems ungleicher politischer, rechtlicher, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Rechte auf der Grundlage von ethnischer Zugehörigkeit und Nationalität. Palästinensische und israelische Menschenrechtsverteidiger*innen, die auf friedliche Weise die Öffentlichkeit auf diese Verletzungen aufmerksam machen, werden verleumdet, kriminalisiert oder als Terrorist*innen abgestempelt. Die israelische Besatzung bedeutete vor allem die Verweigerung des Rechts der Palästinenser*innen  auf Selbstbestimmung.

Diese Menschenrechtsverletzungen würden sich nach der Annexion weiter verschärfen. Was von der West Bank übrig bliebe, wäre ein palästinensischer Bantustan, Inseln von untereinander getrennten Gebieten, vollständig von Israel umgeben und ohne territoriale Verbindung zur Außenwelt. Israel hat kürzlich versprochen, dass es eine ständige Sicherheitskontrolle zwischen Mittelmeer und Jordan aufrechterhalten wird. Der Morgen nach der Annexion wäre also die Kristallisation einer bereits ungerechten Realität: zwei Völker, die im selben Raum leben, von demselben Staat regiert werden, aber zutiefst ungleiche Rechte haben. Dies ist eine Vision einer Apartheid des 21. Jahrhunderts.

Zweimal zuvor hat Israel bereits besetztes Land annektiert – 1980 Ost-Jerusalem und 1981 die syrischen Golanhöhen. In beiden Fällen verurteilte der UN-Sicherheitsrat die Annexionen sofort als unrechtmäßig, traf aber keine sinnvollen Gegenmaßnahmen, um Israels Vorgehen entgegenzutreten.

In ähnlicher Weise hat der Sicherheitsrat die israelischen Siedlungen wiederholt als eklatante Verletzung des Völkerrechts kritisiert. Doch Israels Missachtung dieser Resolutionen und seine anhaltende Verankerung der Siedlungen ist von der internationalen Gemeinschaft nicht  gelöst worden.

Das muss dieses Mal anders verlaufen. Die internationale Gemeinschaft hat die […] rechtliche und politische Verantwortung, eine auf Regeln basierende internationale Ordnung zu verteidigen, Verletzungen der Menschenrechte und der grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts entgegenzutreten und ihre zahlreichen Resolutionen umzusetzen, die Israels Verhalten bei dieser langwierigen Besatzung kritisieren. Insbesondere sind Staaten verpflichtet, einen anderen Staat bei keiner Form illegaler Aktivitäten wie Annexion oder der Schaffung von Zivilsiedlungen in besetztem Gebiet  beizustehen oder zu unterstützen. Die Lehren aus der Vergangenheit sind klar: Kritik ohne Konsequenzen wird weder die Annexion verhindern noch die Besatzung beenden.

Rechenschaftspflicht und ein Ende der Straflosigkeit müssen zu einer unmittelbaren Priorität für die internationale Gemeinschaft werden. Es steht eine breite Palette von Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht zur Verfügung, die der UN-Sicherheitsrat in den letzten 60 Jahren in anderen internationalen Krisen umfassend und erfolgreich angewendet hat. Die ausgewählten Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht  müssen in voller Übereinstimmung mit dem Völkerrecht getroffen werden, verhältnismäßig und wirksam sein, einer regelmäßigen Überprüfung unterliegen, im Einklang mit den Menschenrechten, dem humanitären Völkerrecht und dem Flüchtlingsrecht stehen und darauf abzielen, die Annexionen rückgängig zu machen und die Besatzung und den Konflikt zu einem gerechten und dauerhaften Ende zu bringen. Palästinenser*innen und Israelis haben nicht weniger verdient.

Wir bedauern die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Unterstützung und Förderung der rechtswidrigen Pläne Israels zur weiteren Annexion des besetzten Gebiets sehr. In den letzten 75 Jahren haben die Vereinigten Staaten mehrfach eine wichtige Rolle bei der Förderung der globalen Menschenrechte gespielt. Bei dieser Gelegenheit sollten sie [die USA] sich entschieden gegen die bevorstehende Verletzung eines Grundprinzips des Völkerrechts aussprechen, anstatt dessen Verletzung aktiv zu begünstigen. “

ENDS

Die  47 Expert*innen:

Mr. Michael Lynk, Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian Territory occupied since 1967; Ms. Agnès Callamard, Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions; Mr. Ahmed Reid (Chair), Ms. Dominique Day, Mr. Michal Balcerzak, Mr. Ricardo A. Sunga III, and Mr. Sabelo Gumedze, Working Group of experts on people of African descent;Ms. Alena Douhan, Special Rapporteur on the negative impact of the unilateral coercive measures on the enjoyment of human rights; Ms Alice Cruz, Special Rapporteur on the elimination of discrimination against persons affected by leprosy and their family members, Ms. Anaïs Marin, Special Rapporteur on the situation of human rights in Belarus; Mr. Aristide NONONSI, Independent Expert on the situation of human rights in the Sudan; Mr. Alioune Tine,Independent Expert on the situation of human rights in Mali; Mr. Balakrishnan Rajagopal, Special Rapporteur on adequate housing as a component of the right to an adequate standard of living, and on the right to non-discrimination in this context; Mr. Baskut Tuncak, Special Rapporteur on human rights and hazardous substances and wastes; Ms. Catalina Devandas-Aguilar, Special Rapporteur on the rights of persons with disabilities; Ms. Cecilia Jimenez-Damary, Special rapporteur on the human rights of internally displaced persons; Mr. Chris Kwaja (Chair), Ms. Jelena Aparac, Ms. Lilian Bobea, Mr. Saeed Mokbil,Ms. Sorcha MacLeod, Working Group on the use of mercenaries as a means of violating human rights and impeding the exercise of the right of peoples to self-determination; Ms. Claudia Mahler, Independent Expert on the enjoyment of all human rights by older persons; Mr. Clément Nyaletsossi Voule, Special Rapporteur on the right to peaceful assembly and association; Mr. Dainius Pūras, Special Rapporteur on the right to physical and mental health; Mr. David Kaye, Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of expression; Mr. David R. Boyd, Special Rapporteur on human rights and the environment; Mr. Diego García-Sayán, UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers; Ms. Dubravka Šimonovic, Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences; (Chair) Ms. Elizabeth Broderick (Vice Chair) Ms. Melissa Upreti, Ms. Alda Facio, Ms. Ivana Radačić, Ms. Meskerem Geset Techane, Working Group on discrimination against women and girls; Mr. Fernand de Varennes, Special Rapporteur on minority issues; Ms. Fionnuala D. Ní Aoláin, Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism; Mr. Githu Muigai (Chair), Ms. Anita Ramasastry (Vice-chair), Mr. Dante Pesce, Ms. Elżbieta Karska, and Mr. Surya Deva, UN Working Group on Business and Human Rights; Ms. Isha Dyfan, Independent Expert on the situation of human rights in Somalia; Mr. Joe Cannataci, Special Rapporteur on the right to privacy; Mr. José Francisco Calí Tzay, Special Rapporteur on the rights of indigenous peoples;Mr. José Antonio Guevara Bermúdez (Chair), Ms. Elina Steinerte (Vice-Chair), Ms. Leigh Toomey (Vice-Chair), Mr. Seong-Phil Hong, and Mr. Sètondji Adjovi, Working Group on Arbitrary Detention; Ms. Karima Bennoune, Special Rapporteur in the field of cultural rights; Ms. Kombou Boly Barry, Special Rapporteur on the right to education; Mr. Léo Heller,Special Rapporteur on the human rights to water and sanitation; Mr. Livingstone Sewanyana, Independent Expert on the promotion of a democratic and equitable international order; Ms. Mama Fatima Singhateh, Special Rapporteur on sale and sexual exploitation of children; Ms Maria Grazia Giammarinaro, Special Rapporteur on trafficking in persons, especially women and children; Ms. Mary Lawlor, Special Rapporteur on the situation of human rights defenders; Mr. Michael Fakhri, Special Rapporteur on the right to food; Mr. Nils Melzer, Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment; Mr. Obiora C. Okafor, Independent Expert on human rights and international solidarity,Mr. Olivier De Schutter, Special Rapporteur on extreme poverty and human rights; Mr. Saad Alfarargi, Special Rapporteur on the right to development; Ms. E. Tendayi Achiume, Special Rapporteur on Contemporary Forms of Racism; Mr. Thomas Andrews. Special Rapporteur on the situation of human rights in Myanmar; Mr. Tomás Ojea Quintana, Special Rapporteur on the situation of human rights in the Democratic People’s Republic of Korea; Mr. Tomoya Obokata, Special Rapporteur on contemporary forms of slavery, including its causes and consequences; Mr. Victor Madrigal-Borloz, Independent Expert on protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity; Ms. Yuefen LI, Independent Expert on the effects of foreign debt and other related international financial obligations of States on the full enjoyment of all human rights, particularly economic, social and cultural rights; Mr. Yao Agbetse, Independent Expert on the situation of human rights in Central African Republic

The Special Rapporteurs are part of what is known as the Special Procedures of the Human Rights Council. Special Procedures, the largest body of independent experts in the UN Human Rights system, is the general name of the Council’s independent fact-finding and monitoring mechanisms that address either specific country situations or thematic issues in all parts of the world. Special Procedures experts work on a voluntary basis; they are not UN staff and do not receive a salary for their work. They are independent from any government or organization and serve in their individual capacity.

UN Human Rights, Country Page: Occupied Palestinian Territory and Israel

For more information and media requests, please contact Katarina Medlova (+41 22 917 9129 / kmedlova@ohchr.org )

For media enquiries regarding other UN independent experts, please contact Renato de Souza (+41 22 928 9855 / rrosariodesouza@ohchr.org) and John Newland (mediaconsultant2@ohchr.org)

Follow news related to the UN’s independent human rights experts on Twitter @UN_SPExperts.


Israeli annexation of parts of the Palestinian West Bank would break international law – UN experts call on the international community to ensure accountability
Übersetzung: Redaktion BDS-Kampagne.de

DER SPIEGEL: Uno-Experten kritisieren Israels Annexionspläne als “Vision einer Apartheid”