Boykottiert Pop-KulturKultureller BoykottStellungnahmen

Pop-Kultur ist vorbei

Das Pop-Kultur Festival 2018 in Berlin ist vorbei. Nachdem die Musik verklungen ist, die Musiker*innen und die Bands zusammengepackt und wieder abgereist sind, bleibt die Erinnerung nicht nur an die Musik und Vorträge, sondern auch an eine desaströse Auftaktveranstaltung.

Das Interesse der Medien gehörte der BDS-Kampagne. Kein Bericht, der sich nicht auch auf die Absage von Künstler*innen und der BDS-Kampagne bezogen hätte. Das ist ein großer Erfolg!

Diesen Erfolg verdanken wir aber nicht nur den couragierten Künstler*innen, die den Aufruf der Palästinensischen Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI) zum Boykott des Festivals gehört und respektiert haben. Der Dank gebührt auch den zahlreichen Aktivist*innen, die im Vorfeld auf die Annahme des Sponsorings durch die israelische Botschaft aufmerksam gemacht haben.

Der Versuch der israelischen Botschaft, sich mit Hilfe des Pop-Kultur Festivals als selbstloser Förderer der Kultur zu präsentieren, ist gescheitert. Nicht nur weil die israelische Regierung einige Tage zuvor eines der kulturellen Zentren im Gazastreifen in Schutt und Asche gebombt hat, sondern weil die Verbrechen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung nicht mehr zu verbergen sind und von immer mehr Menschen gesehen und verstanden werden. Die Absage der Künstler*innen und deren Erklärungen haben ihren Teil dazu beigetragen.

Dabei haben sich die Verantwortlichen von Pop-Kultur solche Mühe gegeben, alles dafür zu tun, um ihre Unterstützung für den Staat Israel und seine Politik deutlich zu machen. In Interviews haben sie stolz ihr Festhalten am Sponsoring der israelischen Botschaft bekundet. In Reaktion auf die Absagen im letzten Jahr haben sie sich dieses Mal offensichtlich darum bemüht, nur solche Künstler*innen einzuladen, die nicht im Verdacht stehen die BDS-Kampagne zu unterstützen, an arabischen Künstler*innen bestand in diesem Jahr wohl kein Interesse. Umso überraschender mußten die Verantwortlichen des Pop-Kultur Festivals die Absagen in diesem Jahr von den Künstler*innen Shopping, Richard Dawson, Gwenno, John Maus, Nadine Shah und Alu Woodward wahrnehmen. Sie mussten zur Kenntnis nehmen, dass die palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels von Menschen weltweit unterstützt wird. Glaubten die Verantwortlichen des Festivals anfänglich, sie hätten es nur mit einigen Menschen aus Berlin und Deutschland zu tun, die sie mit den üblichen Diffamierungen ruhig zu stellen versuchten, so mussten sie lernen, dass es sich bei BDS um eine weltweite Bewegung handelt.

Ihr Unverständnis und ihre Ignoranz gegenüber dem Anliegen der BDS-Kampagne wurden offensichtlich am ersten Tag des Festivals. Auf einer Podiumsdiskussion zum Auftakt sollte über „Boykott“ diskutiert werden. Nicht eingeladen wurden Betroffene israelischer Menschenrechtsverletzungen, keine Vertreter*innen der palästinensisch geführten BDS-Kampagne –  für den von seiten der Festival-Leitung so viel propagierten Dialog wäre dies eine unabdingbare Voraussetzung gewesen! Das Podium sollte nur denjenigen gehören, für die die Unterstützung Israels und seine Politik eine Selbstverständlichkeit ist. Die Gründe für den Aufruf zum Boykott des Festivals sollten in einer Mischung aus selbstbezogener Vergangenheitsbewältigung und in konstruierten und haltlosen Beschuldigungen und Diffamierungen gegenüber den Aufrufenden untergehen. Die Bühne war errichtet, die Show konnte beginnen –  sie endete in einem Desaster. Aufgebrachte Palästinenser*innen, fassungslose Israel*innen und Unterstützer*innen des Kampfes für die Rechte der Palästinenser*innen waren erschienen und verschafften sich Gehör – sie haben es satt, dass über sie, aber nicht mit ihnen geredet werden sollte!

Klaus Lederer wurde daran erinnert, dass er 2009 in Berlin an einer Demonstration teilgenommen hatte, die die Bombardierung des Gazastreifens billigte – zu einer Zeit, als Israel bereits seit Jahren entgegen allen Regeln des Völkerrechts dieses Gebiet hermetisch abgeriegelt hatte.

Klaus Lederer wurde daran erinnert, dass Palästinenser*innen hinter Mauern leben und, im Gegensatz zu ihm, Apartheid erfahren. Das mochte der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, LV Berlin so nicht stehen lassen! Den Vorwurf, dass Israel ein Apartheidstaat sei, hält Klaus Lederer für absurd, ja für strukturell antisemitisch und führt weiter aus, dass er auch die BDS-Kampagne für strukturell antisemitisch halte. Auf die vehemente Frage aus dem Publikum, ob er die Menschen, die bestrebt sind eine gleichberechtigte Gesellschaft aufzubauen, für antisemitisch halte, blieb Klaus Lederer die Antwort schuldig!

Im Verlauf der Veranstaltung wies die Moderatorin des Panels, frei nach Adorno, darauf hin, dass es nichts Richtiges im Falschen gäbe … wie wahr! Apartheid, Unterdrückung, Siedlerkolonialismus – es gibt nichts Richtiges im Falschen!

Mag sein, dass sich einem Landespolitiker wie Klaus Lederer die Beziehung der BDS-Kampagne und der weltweiten BDS-Bewegung mit internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nicht auf den ersten Blick erschließt! Da ist der Mann jedoch in bester Gesellschaft. Sämtliche Bundesregierungen haben sich aus ihrer Verantwortung als Drittstaaten, die ihnen aus zahlreichen UN-Resolutionen erwachsen, geschlichen. Erinnert sei hier an das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) über die Rechtsfolgen des Baus einer Mauer in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich in Ost-Jerusalem und seiner Umgebung resultierenden Resolution der UN Generalversammlung A/RES/ES-10/15 – 20. Juli 2004 / 02. August 2004, in der es unter Pkt. D heißt:

“Alle Staaten sind verpflichtet, die rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen, die sich aus dem Bau der Mauer ergibt, und Hilfsmaßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der durch den Bau der Mauer geschaffenen Lage beitragen, zu unterlassen; alle Parteien des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten sind darüber hinaus verpflichtet, unter Achtung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts sicherzustellen, dass Israel das in diesem Abkommen niedergelegte humanitäre Völkerrecht einhält …”

Wirft man einen Blick auf die Resolution 2234 des UN-Sicherheitsrates vom Dezember 2016 – also 12 Jahre später – so wird deutlich, dass weder die Bundesrepublik Deutschland noch andere Staaten in der Lage oder willens zu sein scheinen, ihren Verpflichtungen gemäß internationalem Recht nachzukommen, wenn es um Israel geht! Das ist der Ausgangspunkt für die BDS-Kampagne – das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, ihren Verpflichtungen für die Rechte der Palästinenser*innen nachzukommen!

Es ist nachgerade vermessen von bundesdeutschen Politiker*innen, sich der Mit-Verantwortung für die Einhaltung internationalen Rechts zu entziehen und den Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zu BDS gegen Israel aus dem Jahr 2005 zu ignorieren und stattdessen BDS und die internationale BDS-Bewegung mit einer Diffamierungskampagne zu überziehen.

Redaktion www.bds-kampagne.de


Kundgebung zur Eröffnung des diesjährigen Pop-Kultur Festivals in Berlin:
Bildergalerie zur Eröffnung des  mit den Erklärungen der Künstler*innen, die ihre Teilnahme an Pop-Kultur 2018 absagten und Erklärungen solidarischer Gruppen:
Kurze Videos über einige der Proteste in der Podiumsdisskussion über “Boycott” am 15. August 2018 in der Kulturbrauerei: