Akademischer BoykottPACBI Guidelines

PACBI-Leitlinien für den internationalen akademischen Boykott von Israel

(überarbeitet im Juli 2014)

Die Palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott von Israel (PACBI) als verantwortlicher Teil für die Betreuung der Aspekte des akademischen und kulturellen Boykotts innerhalb des Nationalen palästinensischen BDS-Ausschusses (BNC) setzt sich seit 2004 für den Boykott akademischer und kultureller Institutionen ein. Die Haltung stützt sich auf die Tatsache, dass diese Institutionen zutiefst mitverantwortlich sind für das israelische Unterdrückungssystem, das den PalästinenserInnen ihre völkerrechtlich garantierten Grundrechte abspricht oder sie an der Ausübung dieser Rechte, insbesondere der akademischen Freiheit und dem Recht auf Bildung, hindert.

Die Hochschuleinrichtungen sind ein wesentlicher Bestandteil des ideologischen und institutionellen Gerüsts des gegen das palästinensische Volk gerichteten israelischen Systems von Besatzung, Kolonialismus und Apartheid. Seit ihrer Gründung hat die israelische Universität ihr Schicksal an das hegemoniale politisch-militärische Establishment in Israel gekoppelt, und trotz der Bemühungen einer Handvoll prinzipientreuer AkademikerInnen ist die israelische Universität zutiefst in die Unterstützung und Weiterführung der systematischen Verweigerung der palästinensischen Rechte durch Israel verwickelt.

Der institutionelle akademische Boykott, zu dem PACBI aufruft, wurde vom Palästinensischen Rat für Höhere Bildung (CHE) angenommen. Er liegt auf der Linie des Aufrufs für „die Nicht-Kooperation auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet zwischen palästinensischen und israelischen Universitäten“[1], der als maßgebend gilt, und wurde vom Palästinensischen Gewerkschaftsverband der Hochschulprofessoren und -angestellten (PFUUPE) unterstützt.

Die akademische Freiheit

Der BNC unterstützt mittels der nachfolgend dargestellten PACBI-Leitlinien das universelle Recht auf akademische Freiheit. Der institutionelle Boykott, zu dem die palästinensische Zivilgesellschaft aufruft, steht zu dieser Freiheit nicht im Widerspruch. PACBI unterstützt die international akzeptierte Definition von akademischer Freiheit, wie sie vom Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) verabschiedet wurde:

„Die akademische Freiheit schließt die Freiheit jedes Einzelnen ein, seine Meinung über die Einrichtung oder das System, in dem er tätig ist, frei zu äußern, seine Aufgaben ohne Diskriminierung oder Furcht vor Unterdrückung durch den Staat oder sonstige Akteure wahrzunehmen, in berufsständischen Vereinigungen oder repräsentativen akademischen Gremien mitzuwirken und in den Genuss aller international anerkannten Menschenrechte zu gelangen, die für andere Personen in demselben Hoheitsbereich gelten. Der Genuss der akademischen Freiheit bringt Verpflichtungen mit sich, wie beispielsweise die Pflicht, die akademische Freiheit anderer zu achten, die faire Diskussion gegensätzlicher Auffassungen zu gewährleisten und niemanden aus einem der unzulässigen Gründe zu diskriminieren.“

Die in den Grundsätzen des Völkerrechts und der universellen Menschenrechte verankerte BDS-Bewegung und mit ihr PACBI lehnen den Boykott von Individuen auf der Grundlage ihrer Identität (beispielsweise Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht oder Religion) oder ihrer Meinungen prinzipiell ab. Wenn jedoch eine Einzelperson (z.B. als Dekan, RektorIn, PräsidentIn) den Staat Israel oder eine mitverantwortliche israelische Institution vertritt oder beauftragt bzw. angestellt ist, an den Bemühungen Israels zur Aufwertung des eigenen Images (Rebranding) mitzuwirken, unterliegt sie dem institutionellen Boykott, zu dem die BDS-Bewegung aufruft.

Die simple Mitgliedschaft in einer israelischen Hochschuleinrichtung stellt folglich keine Grundlage dar, einen Boykott zu praktizieren.

Während die akademische Freiheit der Einzelnen im Kontext des akademischen Boykotts vollständig und lückenlos zu respektieren ist, können individuelle AkademikerInnen, ob israelischer oder anderer Herkunft, nicht davon bewahrt werden, im Namen des „gesunden Menschenverstands“ (jenseits des Geltungsbereichs der PACBI-Kriterien für institutionellen Boykott) boykottiert zu werden, wenn Menschen mit Gewissen irgendwo in der Welt in Reaktion auf etwas, was weithin als krasse persönliche Komplizenschaft, Verantwortung oder Rechtfertigung von Völkerrechtsverletzungen empfunden wird (etwa die direkte oder indirekte Beteiligung an der Verübung von Kriegsverbrechen oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen; den Aufruf zu Gewalt; rassistische Beleidigungen etc.), zu einem Boykott aufrufen. Auf dieser Ebene sollten die israelischen AkademikerInnen nicht automatisch von berechtigter Kritik oder anderen Formen des legalen Protests einschließlich Boykott verschont werden; sie sollten so behandelt werden wie alle, die ähnliche Taten begehen, nicht besser und nicht schlechter. Dies steht in Einklang mit der universellen Menschenrechtserklärung, auf die sich die Prinzipien der BDS-Bewegung stützen. Sie besagt:

„Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zwecke vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen. [2]“

Leitlinien für den akademischen Boykott

Seit 2004 hat PACBI zahlreiche universitäre Projekte und Aktivitäten genau geprüft, um zu beurteilen, inwiefern sie unter die Kriterien für den Boykott fallen, und in der Folge offene Briefe, Erklärungen und Gutachten dazu veröffentlicht. Gestützt auf diese Erfahrung und in Antwort auf die wachsende Nachfrage an spezifischen PACBI- Leitlinien für die Anwendbarkeit des akademischen Boykotts auf diverse Projekte, von Konferenzen über Austauschprogramme bis zu Forschungsleistungen, legt die Kampagne nachfolgend eindeutige, einheitliche und kohärente Kriterien und Leitlinien vor, die sich spezifisch auf Nuancen und Besonderheiten des akademischen Umfelds beziehen. Diese Leitlinien sollen insbesondere bewusst handelnden AkademikerInnen und Hochschulorganen in aller Welt helfen, sich in Einklang mit dem palästinensischen Boykottaufruf zu verhalten, um zur Hochhaltung des Völkerrechts und zur Förderung des Kampfs für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit beizutragen. Ähnliche Leitlinien hat PACBI auch für den kulturellen Bereich veröffentlicht.

Als allgemeine und übergeordnete Regel gilt, dass alle israelischen Hochschulinstitutionen aufgrund ihrer jahrzehntelangen tiefen und bewussten Mitbeteiligung an der Aufrechterhaltung der Besatzung und der Verweigerung grundlegender palästinensischer Rechte, sei es durch ihr Stillschweigen, ihre aktive Beteiligung an der Rechtfertigung und Verharmlosung oder anderweitigen bewussten Ablenkung von Israels Völker- und Menschenrechtsverletzungen oder durch ihre tatsächliche direkte Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden in der Planung und Durchsetzung von Projekten, die gegen das Völkerrecht und palästinensische Rechte verstoßen, bis zum Beweis des Gegenteils dem Boykott unterliegen. Folglich sollten diese Institutionen, alle ihre Aktivitäten und alle von ihnen geförderten oder unterstützten Tätigkeiten boykottiert werden. Projekte mit allen israelischen akademischen Einrichtungen sollten eingestellt werden, wie dies bei all den akademischen Einrichtungen Südafrikas unter der Apartheid der Fall war.

Gestützt auf das oben Erwähnte lädt PACBI alle AkademikerInnen, Hochschulverbände/ -gewerkschaften und akademischen sowie anderen Institutionen weltweit dazu ein, Veranstaltungen, Tätigkeiten, Abkommen oder Projekte, an denen Hochschulinstitutionen beteiligt sind oder die in anderer Weise die Normalisierung der Stellung Israels in der akademischen Welt fördern und Israel damit von seinen Völkerrechtsverletzungen und der Missachtung der palästinensischen Rechte weißwaschen oder gegen die BDS-Leitlinien verstoßen, zu boykottieren, wo dies möglich und sachdienlich ist, oder auf deren Absage oder Aufkündigung hinzuarbeiten.

Namentlich die nachfolgend beschriebenen Veranstaltungen, Tätigkeiten und Situationen stellen einen Verstoß gegen den palästinensischen akademischen Boykott dar:

1. Hochschulveranstaltungen (wie Konferenzen, Symposien, Workshops, Buch- und Museumsausstellungen), die von Israel, mitverantwortlichen israelischen Institutionen oder deren Unterstützungs- und Lobbygruppen in verschiedenen Ländern einberufen oder mitfinanziert werden. All diese Hochschulveranstaltungen, die in Israel oder anderswo stattfinden, verdienen auf institutioneller Ebene boykottiert zu werden. Zu diesen zu boykottierenden Tätigkeiten gehören auch Kommissionen und andere von israelischen Hochschuleinrichtungen oder Verbänden an internationalen Konferenzen außerhalb von Israel gesponserte oder organisierte Tätigkeiten. Wesentlich ist, dass sie auch die Einberufung von Versammlungen internationaler Körperschaften und Verbände in Israel einschließen. Das Grundprinzip lautet, dass eine Veranstaltung oder ein Projekt verdient, boykottiert zu werden, wenn sie oder es durch Sponsoring bzw. unter der Ägide, in Zusammenarbeit mit oder mittels Finanzierung durch ein offizielles israelisches Organ oder eine mitverantwortliche Institution (ein-schließlich Lobbygruppen) durchgeführt wird. Dasselbe ist anwendbar für die Unterstützung und das Sponsoring von nichtisraelischen Institutionen, die aber israelischen Propagandazwecken dienen.

2. Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung, die im weiteren Sinn unter die folgenden Kategorien fallen:

(a) Bezüglich Hochschuleinrichtungen – institutionelle Kooperationsabkommen mit israelischen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen. Typisch für solche Abkommen zwischen internationalen und israelischen Hochschuleinrichtungen sind der Austausch von Fakultätsangehörigen und Studierenden und wichtiger noch die Durchführung von gemeinsamen Forschungsprojekten. Viele dieser Programme werden (was Europa betrifft) von der Europäischen Union oder ansonsten von unabhängigen oder regierungsnahen Stiftungen gesponsert oder finanziert.

(b) Bezüglich der israelischen Regierung und anderen Regierungen oder Stiftungen/Institutionen. Die an solchen Projekten beteiligten Forschenden können an US-amerikanischen, europäischen oder anderen Hochschulen tätig sein.

(c) Bezüglich Hochschulkörperschaften und -institutionen. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten für internationale Körperschaften, die Verträge oder andere internationale Abkommen mit israelischen Fachbereichen oder Hochschulzentren beinhalten.

Das klarste Beispiel für universitäre Komplizenschaft mit Israel seitens von Regierungen ist „Horizon 2020“.  Der Einbezug von Israel in dieses umfassende universitäre Forschungsprojekt trotz der anhaltenden Verstöße Israels gegen die Menschenrechtsklauseln des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel, des rechtlichen Rahmens von Horizon 2020 und anderer bilateraler Projekte zwischen der EU und Israel kommt der Weißwaschung der langen Reihe an Menschenrechtsverletzungen gleich, die Israel und die mitverantwortlichen Universitäten in den letzten Jahrzehnten begangen haben.

Andere Beispiele schließen die United States-Israel Binational Science Foundation (BSF) ein,  eine Institution, die von den Regierungen der USA und Israels im Jahr 1972 gegründet wurde, um Forschung von US-Amerikanern und Israelis zu fördern, und die „Eureka Initiative“, eine 1985 eingerichtete zwischenstaatliche europäische Initiative mit Israel als einzigem nichteuropäischem Mitglied. Ein weiteres Beispiel ist die britisch-israelische Partnerschaft für Forschung und akademischen Austausch (BIRAX), ein politisch motiviertes Projekt, das zum Ziel hat, dem wachsenden universitären Boykott unter britischen Hochschulen und Gewerkschaften entgegenzutreten.

3. Finanzierungen von akademischen Tätigkeiten und Projekten durch Israel und seine Lobby-gruppen. Alle teilweise oder ganz von Israel oder irgendeiner seiner Lobbygruppen finanzierten Hochschulprojekte oder -aktivitäten sind zu boykottieren. Alle internationalen Hochschulforen/-projekte, die eine Finanzierung durch Israel, seine Lobbygruppen oder mitverantwortlichen Institutionen akzeptieren, stehen im Widerspruch zum palästinensischen akademischen Boykott Israels.

Hinweis: Israelische AkademikerInnen sind als SteuerzahlerInnen befugt, für ihre akademische Tätigkeit, beispielsweise die Teilnahme an internationalen Kongressen und anderen Hochschulveranstaltungen, finanzielle Mittel von ihrer Regierung oder einer Unterstützungseinrichtung zu beziehen, sofern das nicht an irgendeine Bedingung geknüpft ist, den politischen Interessen Israels in irgendeiner Weise zu dienen, beispielsweise durch öffentliche Danksagung für diese Unterstützung durch die Organisatoren der Konferenz oder der Aktivität/Veranstaltung. Allein wegen der Mitgliedschaft von AkademikerInnen in israelischen Institutionen ist die Konferenz oder Aktivität nicht zu boykottieren.

4. Ansprachen und Mitteilungen an internationalen Veranstaltungen durch offizielle VertreterInnen des Staates Israel oder offizielle VertreterInnen israelischer Hochschuleinrichtungen, wie PräsidentInnen, RektorInnen und DekanInnen.

5. Auslandsstudienprojekte für internationale Studierende in Israel. Diese Programme sind üblicherweise in israelischen Universitäten untergebracht und Teil der israelischen Propagandabemühungen, um internationalen Studierenden eine „positive Erfahrung“ von Israel zu ermöglichen und so die Besatzung und die Verweigerung der palästinensischen Rechte weißzuwaschen. Werbung und Anwerbung für diese Projekte durch Büros für studentisches Leben oder Fachgebiete (wie die Nahoststudien oder internationalen Studien) an ausländischen Universitäten sollten eingestellt werden.

6. Spezielle akademische Ehrungen und Anerkennung für israelische FunktionärInnen, VertreterInnen israelischer Hochschulinstitutionen (wie die Verleihung von Ehrendiplomen oder anderen Preisen) oder für israelische AkademikerInnen oder Forschungseinrichtungen. Solche Institutionen und ihre offiziellen VertreterInnen sind mitverantwortlich und sollten insofern nicht in den Genuss entsprechender Ehrungen kommen.

7. Normalisierungsprojekte. Hochschulaktivitäten und -projekte, an denen PalästinenserInnen und / oder andere AraberInnen auf der einen und Israelis auf der anderen Seite beteiligt sind (ob bi- oder multilateral) und die sich auf die falsche Prämisse einer Symmetrie oder einer Parität zwischen Unterdrückenden und Unterdrückten stützen oder behaupten, Kolonisierer und Kolonisierte seien gleicher-maßen für den „Konflikt“ verantwortlich, sind Formen der intellektuell unredlichen und moralisch verwerflichen Normalisierung, die zu boykottieren sind.

Anstatt den ungerechten Status quo infrage zu stellen, tragen solche Projekte vielmehr zu dessen Fortdauer bei. Zu den Beispielen zählen Veranstaltungen, Projekte und Veröffentlichungen, die explizit darauf angelegt sind, PalästinenserInnen oder AraberInnen und Israelis zusammenzubringen, damit sie ihre jeweiligen Darstellungen und Perspektiven präsentieren oder auf Versöhnung hinarbeiten können, ohne die Wurzeln des Unrechts und die Voraussetzungen für Gerechtigkeit zu thematisieren.

Andere von PACBI berücksichtigte Faktoren zur Bewertung solcher Aktivitäten oder Projekte betreffen die finanziellen Mittel, die Konzeption des Projekts oder der Veranstaltung, die Ziele der finanzierenden Organisation(en), die Teilnehmenden und andere vergleichbar relevante Faktoren.

Gemeinsame Projekte, die die beiden folgenden Bedingungen erfüllen, sind nicht als Formen der Normalisierung zu betrachten und unterliegen damit nicht dem Boykott:

(a) die israelische Seite im Projekt anerkennt die umfassenden völkerrechtlich verankerten palästinensischen Rechte (entsprechend den drei im BDS-Aufruf genannten Rechten); und

(b) das Projekt oder die Tätigkeit zielt eher auf „gemeinsamen Widerstand“ (co-resistance) als auf „ein Nebeneinander“ (co-existence).

Auch Diskussionen zwischen PalästinenserInnen/AraberInnen und Israelis sind vom Boykott ausgenommen, wenn sie ohne jegliche Zusammenarbeit mit Israel, mit Pressure Groups und mitverantwortlichen Institutionen zustande kommen.

Wenn die Unterstützung von palästinensischen Hochschuleinrichtungen an die Bedingung geknüpft wird, eine „Partnerschaft“ mit israelischen Institutionen einzugehen, stellt dies ebenfalls eine Form des Zwangs zur Normalisierung dar, die vom BNC einschließlich PACBI und dem Palästinensischen Gewerkschaftsverband der Hochschulprofessoren und -angestellten (Palestinian Federation of Unions of University Professors and Employees, PFUUPE) abgelehnt wird. Es trägt dazu bei, die Mitverantwortung israelischer Institutionen zu kaschieren und ihre Legitimität als Exzellenzzentren zu erhöhen, statt direkt und unabhängig die Forschungskapazitäten palästinensischer Institutionen zu stärken.

Die internationalen Universitäten, die darauf bestehen, die „Streiklinien“ von BDS zu durchbrechen, indem sie boykottwürdige Tätigkeiten mit israelischen Institutionen weiterverfolgen und danach zum „Ausgleich“ palästinensische Einrichtungen oder Gruppen besuchen, verletzen die Boykott-Leitlinien und tragen zur falschen Wahrnehmung einer Symmetrie zwischen Unterdrückenden und Unterdrückten bei. Der BNC (einschließlich PACBI) lehnt diesen Versuch der „Kaschierung“ ab und empfängt solche Besuche in palästinensischen Institutionen nicht.

8. Die institutionelle Mitgliedschaft israelischer Verbände in weltweiten Institutionen. Gezielte und selektive Kampagnen fordern die Aufhebung der Mitgliedschaft israelischer Organisationen in in-ternationalen Foren und tragen dazu bei, Druck auf Israel auszuüben, bis dieser Staat das Völkerrecht anerkennt. Genauso wie die Mitgliedschaft Südafrikas in internationalen akademischen und anderen Organisationen während der Apartheid ausgesetzt war, muss dies für Israel geschehen.

9. Veröffentlichungen oder Begutachtung von Beiträgen in akademischen Zeitschriften, die an israelischen Universitäten angesiedelt sind, oder die Erlaubnis zum Abdruck von anderenorts publiziertem Material in solchen in Israel angesiedelten Zeitschriften. Dazu gehören Zeitschriften, die von internationalen Verbänden herausgegeben werden, aber an israelischen Universitäten angesiedelt sind. Es sollten Bemühungen unternommen werden, die Redaktionen dieser Zeitschriften auf Universitäten außerhalb von Israel zu verlegen.

10. Das Verfassen von Gutachten für Dissertationen, Empfehlungsschreiben oder andere Formen von Referenzen wie Berichte für Anstellungen, Promotionen, Tenures und Entscheidungen über Fördergelder an israelischen Universitäten.[3] Die internationalen Universitäten, die sich entscheiden, die akademische Arbeit von DozentInnen oder Studierenden an einer israelischen Universität auf einer persönlichen Basis zu bewerten, stehen nicht in Konflikt zu den Boykott-Leitlinien, solange ihre Namen von diesen Universitäten in keiner Weise verwendet werden, um ihre Legitimität zu unter-mauern. Dagegen widerspricht die Zusage, in einem von einer israelischen Universität eingesetzten oder dieser dienenden Komitee für Dissertationen, Gutachten oder Reviews mitzuwirken, direkt dem institutionellen Boykott dieser Universitäten, da es die akademische Stellung Israels in der Welt legitimiert. Der Boykott gilt auch für das Verfassen von Empfehlungen für Tenures, Beförderungen und Professuren an Universitätsverwaltungen. Zudem sollen sich internationale ProfessorInnen nicht bereit erklären, Empfehlungen für Studierende zu schreiben, die ihre Studien in Israel fortführen wollen, denn dies erleichtert die Verletzung der nachfolgenden Leitlinie 11

11. Internationale Studierende, die sich an israelischen Einrichtungen einschreiben, oder internationale ProfessorInnen, die an israelischen Institutionen lehren oder in Forschungsprogrammen mit oder ohne Abschluss tätig sind. Wenn die Durchführung von Forschung an israelischen Einrichtungen wie Archiven keine offizielle Angliederung an diese Einrichtungen bedeutet (z.B. in Form einer Gastdozentenstelle), unterliegt diese Tätigkeit nicht dem Boykott.

12. Alle akademischen Besuche oder Factfinding-Missions, die von Israel, seinen mitverantwortlichen Institutionen oder internationalen Lobbygruppen Gelder erhalten. Subventionen seitens der israelischen Regierung oder israelischer Lobbygruppen sind zu boykottieren. Auf der anderen Seite unterliegen ausgewogene Factfinding-Missions, selbst wenn sie Treffen mit mitverantwortlichen israelischen Hochschuleinrichtungen einschließen, nicht dem Boykott, sofern keinerlei institutionelle Verbindungen (z.B. Seminare, Arbeitsgruppen, Ausstellungen etc.) mit den israelischen Einrichtungen eingegangen werden.

Der institutionelle Boykott von Hochschuleinrichtungen in Israel soll so lange weitergeführt werden, bis diese Institutionen zwei Grundbedingungen erfüllen:

a. Die Anerkennung der völkerrechtlich anerkannten unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volks (einschließlich der drei Grundrechte, die im BDS-Aufruf von 2005 betont sind), und

b. Die Einstellung aller Formen von Komplizenschaft mit der Missachtung der völkerrechtlich verankerten palästinensischen Rechte. Diese Mitverantwortung beinhaltet diskriminierende Politiken und Praktiken sowie diverse Funktionen in der Planung, Umsetzung und/oder Rechtfertigung von Verstößen gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht durch Israel.

– Palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott von Israel (PACBI)

[1] Der aus der Direktion der palästinensischen Universitäten und VertreterInnen der Gesellschaft zusammengesetzte Palästinensische Rat für Höhere Bildung (CHE) vertritt seit den 1990er-Jahren den Grundsatz, nicht mit israelischen Hochschulen zusammenzuarbeiten, solange Israel die Besatzung nicht aufhebt; diese Haltung wurde mehrfach bekräftigt, namentlich in einer Erklärung des CHE in einem Dankesschreiben an den britischen Hochschulverband NATFHE aus dem Jahr 2006 und in einem Schreiben des CHE an PACBI aus dem Jahr 2005. http://www.pacbi.org/etemplate.php?id=2352

[2] „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen (1948), Artikel 29(2).

[3] Im Jahr 2002 haben über 700 europäische AkademikerInnen folgende Erklärung unterzeichnet: „Ich kann nicht guten Gewissens weiter mit offiziellen israelischen Institutionen einschließlich Hochschulen kooperieren. Ich werde an keiner wissenschaftlichen Konferenz in Israel teilnehmen und nicht als Gutachter für Anstellungs- oder Beförderungsentscheidungen israelischer Universitäten oder an Entscheidungen israelischer Finanzierungsbehörden mitwirken. Ich werde auf individueller Basis weiter mit israelischen WissenschaftskollegInnen zusammenarbeiten und sie einladen.“ (https://www.guardian.co.uk/uk/2002/jul/08/highereducation.israel)

Originaltext: PACBI Guidelines for the International Academic Boycott of Israel, July 2014

Auf Deutsch zuerst erschienen auf BDS Schweiz