Erklärungen

Jüdische Stimme: Gegen rechte Zensur – in Israel und Deutschland! (DE & EN)

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(English below)
24. Oktober 2016
Gegen rechte Zensur in Israel und Deutschland: Solidarität mit dem Ballhaus Naunynstraße und den Kuratorinnen des Festivals „After the last Sky“

Seit eineinhalb Jahren versucht die Netanyahu-Regierung, die als die bisher rechtsextremste Regierung in der Geschichte Israels gelten kann, jüdische und nicht-jüdische linke Stimmen zum Schweigen zu bringen. So werden Kulturinstitutionen sowohl in Israel als auch im Ausland extrem unter Druck gesetzt und mit öffentlichen Kampagnen diffamiert, wenn sie Raum für Kritik an der israelischen Besatzungspolitik und für widerständige palästinensische Stimmen bieten.

Auch deutsche Journalist_innen und Organisationen sind an dieser Strategie beteiligt, israelkritische Personen und Institutionen und deren wichtige wachsame Stimmen mundtot zu machen und so einen öffentlichen israelkritischen Diskurs, der sich in erster Linie auf die den Palästinenser_innen seit Jahrzehnten verwehrten grundlegenden Menschenrechte konzentriert, in Deutschland und anderswo zu verhindern. Dass sie dabei oft sogar vor Verleumdungen nicht zurückschrecken, beweisen dieser Tage die ungerechtfertigten Vorwürfe gegen das Ballhaus Naunynstraße sowie konkret die Kuratorinnen des dort von Anfang September bis Anfang Oktober 2016 stettgefunden habenden Festivals “After the last Sky” – im Übrigen das erst internationale und interdisziplinäre palästinensische Kunst- und Kulturfestival.

In Medienberichten wird behauptet, die ethnischen Säuberung in Palästina durch die israelischen Streitkräfte 1947-48 als solche zu benennen oder die israelische Herrschaft über die Palästinenser_innen als Apartheid zu bezeichnen seien unzulässige, einseitige und hetzerische Äußerungen. Dabei haben akribische Recherchen in israelischen Archiven, durchgeführt von namhaften israelischen und palästinensischen Historiker_innen, bewiesen, dass es sich bei der systematischen Vertreibung von Palästinenser_innen 1948 um eine ethnische Säuberung handelte.[1] Der Begriff “ethnische Säuberung” hat ebenso wie der Begriff “Apartheid” eine völkerrechtlichte Definition. Auf diese berufen sich auch israelische und internationale Menschenrechtsorganisationen, die die Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten als Apartheid bezeichen – vereinfacht ausgedrückt existieren dort nämlich zwei ethnisch begründete Rechtssysteme nebeneinander: Palästinenser_innen sind dem israelischen Militärgericht unterworfen, jüdische Siedler_innen dem israelischen Zivilrecht. Sind nun alle, die auf dieses Faktum hinweisen, Antisemt_innen?

Das wollen uns zumindest die Autoren der diffamierenden Medienberichte über das Ballhaus Naunynstraße und die Kuratorinnen des Festivals uns weismachen. Wir wehren uns hiermit entschieden dagegen, dass die Benennung von Tatsachen in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten als hetzerisch und einseitig dargestellt und damit verunglimpft wird. Ebenso wehren wir uns entschieden dagegen, dass die gewaltfreie BDS-Kampagne, die zu Boykott, Sanktionen und Desinvestitionen gegen den Staat Israel aufruft solange dieser seinen menschen- und völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, als antisemitisch diffamiert wird. Wir haben dies zuletzt im Juni 2016 aufs Schärfste zurückgewiesen und uns mit Boykott-Aktivist_innen weltweit solidarisch erklärt. Dies haben wir nicht zuletzt getan, weil wir in der Gleichsetzung der BDS-Bewegung mit Antisemitismus eine falsche und gefährliche Bagatellisierung von Antisemitismus und Antisemitismusvorwürfen verorten.

Die gegenüber dem Ballhaus Naunynstraße, den Kuratorinnen und verschiedenen Mitwirkenden des Festivals “After the last Sky” geäußerten Vorwürfe erweisen sich als haltlos. Eine kurzer Faktencheck, wie er von qualitativen Journalist_innen eigentlich zu erwarten gewesen wäre, zeigt deutlich, dass im Zuge des Festivals keine Hetze betrieben wurde. Vielmehr wurden mit der Benennung verschiedener Verbrechen der israelischen Regierungen in der Vergangenheit und Gegenwart Fakten aufgezählt. In der hebräischen Berichterstattung sind diese Fakten schon lange bekannt, es werden nahezu täglich Medienberichte dazu veröffentlicht. In Deutschland jedoch soll ihr Bekanntwerden weiterhin systematisch verhindert werden. Mithilfe von Angstmacherei wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt, sodass Israel seine Besatzungpolitik ohne Protest und mit deutscher und anderer internationaler Unterstützung fortsetzen kann.

Als in Deutschland lebende Juden und Jüdinnen müssen wir uns in diesem so wie in anderen Fällen klar positionieren. Wir unterstützen die wichtige anti-rassistische Arbeit des Ballhaus Naunynstrasse und danken dem Haus sowie den Kuratorinnen des Festivals “After the last Sky”, dass sie sich nicht gescheut haben, den kritischen Diskurs über Israel-Palästina in Deutschland mithilfe von künstlerischen Produktionen und Interventionen angeregt zu haben.

Solidarität den mutigen kritischen Stimmen!

Wir werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen und wir werden nicht zulassen, dass Andere zum Schweigen gebracht werden.

[1] Siehe beispielsweise Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas, Berlin 2014.

Quelle: Gegen rechte Zensur – in Israel und Deutschland!

zum Thema:

Kampagne gegen das Kulturfestival (Auswahl):
20.10.2016:Tagesspiegel – Gegen Israel – mit öffentlichen Geldern
20.10.2016: AJC – Wie Steuergelder für Anti-Israel-Aktivisten missbraucht werden
20.10.2016: rbb-online – Senat prüft Anti-Israel-Vorwürfe gegen Ballhaus Naunynstraße
21.10.2016: Jüdische Allgemeine – Kulturverwaltung prüft Anti-Israel-Hetze

English

Against right-wing censorship in Israel and Germany

(This is a translation of our German Statement “Gegen rechte Zensur – in Israel und Deutschland)

In the past one and a half years the Netanyahu government, which can be considered the most right-wing extremist government in the history of Israel, has tried to silence Jewish and non-Jewish left-wing voices. Cultural institutions in and outside of Israel that give room to a critique of the Israeli occupation and its concomitant policies as well as to Palestinian voices of resistance are increasingly pressured and face defamations by public campaigns against them.

German journalists and organizations are complicit in this strategy of silencing the imporant individuals and institutions critical of Israel. By doing so they work to prevent the emergence of a public discourse in Germany surrounding the basic human rights that have been denied to Palestinians for decades. Recently, the unfounded accusations against the Berlin theatre “Ballhaus Naunynstraße” and, more concretely, the curators of the festival “After the last Sky”, which took place at Ballhaus Naunynstraße from early September until early October 2016 – the first month-long international and interdisciplinary Palestinian cultural festival to take place in Germany – have shown that those complicit in this strategy don’t stop short of defamation.

Media reports claimed that using terms such as ethnic cleansing to describe the actions carried out by Israeli armed forces on the Palestinian population in 1947-1948 or apartheid to characterize the current system of rule in the occupied territories is invalid, one-sided and an act of incitement. But research in Israeli archives, meticulously carried out by various renowned Israeli and Palestinian historians, has proven that the systematic expulsion of Palestinians in 1948 was indeed a case of ethnic cleansing. The terms “ethnic cleansing” and “apartheid” have been defined by international law. sraeli as well as international Human Rights organizations evoke this common legal definition when they describe the situation in the Occupied Palestinian Territories as apartheid. Simply put, two ethnically grounded juridical systems exist there side by side: Palestinians are subjected to Israeli military courts whereas Jewish settlers are subjected to Israeli civil law. Is everyone alluding to this fact an antisemite?

The authors of the disparaging media reports about Ballhaus Naunynstraße and the curators of the festival want us to believe that. However, we strongly oppose the defamation implied in the act of referring to the naming of simple facts in Israel and the Occupied Palestinian Terriroties as “one-sided” or “incitement.” We also strongly oppose equating the non-violent movement calling for Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) against Israel until it meets its human rights and other international legal obligations with antisemitism. In a recent statement of June 2016 we made this clear declaring our solidarity with BDS activists worldwide, not least because we consider equating the BDS movement with antisemitism a false and dangerous trivialization of antisemitism and accusations of antisemitism.

The claims brought forward against Ballhaus Naunynstraße, the curators and various contributors to the festival „After the last Sky“ prove to be unfounded. A short fact-check as can be expected of any professional journalist shows clearly that neither words nor actions of incitement occurred during the festival. Rather, by naming the various crimes committed by Israeli governments of the past and the present only facts were stated. In the Hebrew-language media coverage these facts have long been known and in the last years particularly have been reported on almost on a daily basis. But n Germany they remain unknown (or largely unknown) as a result of the systematic supression of the voices that try to bring them to light. Instead, fearmongering is used to restrict freedom of expression in order for Israel to be able to continue its oppressive policies without protest but with German and other international support.

In the face of this and other similar cases we feel compelled to clearly take a side and show our support and solidarity with those silenced. We support the important anti-racist work of Ballhaus Naunystraße and we are grateful to the theatre as well as the curators of the festival “After the last Sky“ for being brave and having stimulated the critical discourse on Israel-Palestine in Germany by inviting artists to show and discuss their work and interventions.

We will not be silenced and we will not let others be silenced.

Source: Against right-wing censorship in Israel and Germany